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28.09.2025 - KK
E-I-fokussiert: Lena Matzke
Jeden Augenblick nutzend waren wir beim Interview in Begleitung von THE PHANTOM OF THE OPERA, der am frühen Abend nach der absolvierten Dressuraufgabe eine Auszeit mit frischem Gras an der Hand von Lena Matzke auf dem weiten Gelände des Blenheim Palace genießen konnte. Die 27-jährige Berlinerin, die nach dem Wechsel zu Calvin Böckmann in der Warendorfer Altstadt ein neues Zuhause gefunden hat, war vorher als Turnierreiterin bis L- Vielseitigkeit unterwegs und hat im Spring- sowie im Dressursattel Prüfungen bis zur Klasse M absolviert.
Eventing-Inside: Bei Berlin denkt man eher an Fußball oder Basketball als an den Reitsport. Wie bist Du zum Pferd gekommen?
Lena Matzke: Ein bisschen tatsächlich durch die Familie. Mein Cousin hat zum achten Geburtstag ein Pony geschenkt bekommen. Da war ich gerade drei und wurde immer mitgeschleppt in den Stall - und wie es dann mit kleinen Mädchen so ist, wollen sie auch aufs Pferd. So richtig reiten durfte ich tatsächlich ganz lange gar nicht, weil alle Reitlehrer meinten, ich sei noch viel zu jung und das ginge nicht. Dann bin ich klassisch mit dem Voltigieren angefangen, das durfte ich komischerweise, obwohl es eigentlich viel gefährlicher ist. Irgendwann kam aber doch das Reiten dazu. Dann mussten wir die Anlage wechseln und sind zum Reitsportverein Am Maifeld, das ist tatsächlich sogar ein Vielseitigkeitsstall in Berlin direkt, gekommen. Da kam dann der erste Kontakt zur Vielseitigkeit und dann ging es auch relativ schnell in den Turniersport - und dabei bin ich geblieben.
E-I: Wie kommt die Berlinerin nach Westfalen?
L M: Seit Januar bin ich bei Calvin im Stall und nach Warendorf gezogen, vorher war ich in Brandenburg als Bereiterin selbständig. Damals hatte ich einen ziemlich schweren Reitunfall mit einem umfangreichen Beckenbruch, der mich ein bisschen aus der Bahn geworfen hat. Aber ich war relativ schnell wieder im Sattel und bin dann auch wieder Turniere geritten, aber all das war im letzten Jahr ein Punkt, wo ich mir gesagt habe, ich muss meinem Körper ein bisschen Pause geben und nicht mehr sechs, sieben, acht oder neun Pferde am Tag reiten und am Wochenende dann noch Turnier. Dann habe ich gesehen, dass Calvin einen neuen Chef-Groom sucht, hauptsächlich für die Aufgaben zuhause, aber auch, um mit zum Turnier zu kommen. Da dachte ich mir, dass ist genau das richtige, ein bisschen weniger selber reiten. Klar, zuhause reite ich die Pferde mit, darf sie mit trainieren, aber es ist einfach eine andere körperliche Belastung.
E-I: Wie war der Weg von der Schülerin zur Bereiterin?
L M: Ich habe nach dem Abitur ein Jahr für Sophie Leube gearbeitet und wollte eigentlich auch dort meine Lehre machen, aber sie darf ja nicht ausbilden, weil sie keinen Meister hat. Nach dieser Zeit bin ich zurück in die Heimat und habe die Ausbildung zur Pferdewirtin bei Frank Elter in Phöben begonnen, aber da gemerkt, dass ich den Leistungssport brauche. Das mit dem Sportstall, dass ist einfach so meins. Ein Bekannter hat auf der Rückfahrt von einem Turnier alle Vielseitigkeitsleute in seinen Kontakten angerufen und gesagt, ich habe hier ein Mädel, die möchte in der Ausbildung den Betrieb wechseln. In seiner Liste war auch Andreas Dibowski, der gesagt, ich soll einfach mal vorbeikommen - und dann war das relativ schnell erledigt und ich habe das letzte Ausbildungsjahr bei ihm gemacht.
E-I: Blenheim ist dann die erste internationale Meisterschaft mit Calvin?
L M: Das erste gemeinsame große Turnier war in Aachen, jetzt hier ist es das erste Championat.
E-I: Wie ist das mit dem Lieblingsturnier?
L M: Ich bin schon von Blenheim sehr angetan. Ich kenne ja viele internationale Vielseitigkeitsturniere in Deutschland, auch schon aus den Zeiten mit Dibo [Andreas Dibowski] und Sophie [Leube]. Durch meinen alten Standort Berlin-Brandenburg war ja auch Polen nicht so weit weg, das kannte ich dann auch schon alles - aber die englische Vielseitigkeit ist noch mal ein bisschen was anderes. Landschaftlich was anderes und ich finde den Geländekurs hier unglaublich anspruchsvoll. Hier würde ich wohl nochmal hinkommen.
E-I: Gibt es im Warendorfer Stall ein Lena-Lieblingspferd?
L M: Die Frage ist schwierig. Ich finde sie charakterlich alle so unterschiedlich, dass ich auf ihre Art alle sehr, sehr gerne hab‘.
E-I: Mit den Augen der Pflegerin, was zeichnet THE PHANTOM OF THE OPERA aus?
M L: PHANTY ist, ich muss schon sagen, so ein richtiges Kampfschwein [und lacht dabei herzlich], vor allem im Gelände. Er greift die Hindernisse an, als gäbe es nichts anderes. Das ist wirklich verrückt, das habe ich bisher auch noch bei keinem anderen Pferd in so einem Ausmaß erleben dürfen. Er ist aber auch schon sehr menschenbezogen, manchmal ist er ein bisschen grummelig und auch ein bisschen frech, er schnappt hier und da mal, aber er weiß immer, bis wohin er gehen kann - grummelig, aber sehr herzlich.
E-I: Was schätzt Du an Calvin, so mit dem Blick durch die Pflegerinnen-Brille?
L M: Calvin ist unglaublich ehrgeizig, der setzt sich ein Ziel und zieht das dann auch durch, das finde ich schon sehr beeindruckend, auch weil er dabei sehr diszipliniert ist. Manchmal fehlt es ihm in der Struktur, aber dafür hat er ja seine Mutti und mich, also, wir helfen ihm da schon. Er ist unglaublich herzlich zu seinen Pferden, er weiß auch, dass er ohne seine Pferde nichts wäre und ist ihnen für alles unglaublich dankbar. Er ist mit allen Pferden immer sehr fair und das zeichnet ihn als Sportler schon sehr, sehr aus.
E-I: Wie sieht es mit den Kontakten zu den anderen PflegerInnen aus?
L M: [Ein lautes Lachen beim Blick in die Augen von Katharina Stüwer, der Pflegerin von TIMMO] Ich verstehe mich mit allen Menschen grundsätzlich ziemlich gut, bin aber selber eher ein sehr zurückhaltender Mensch und taste mich ganz vorsichtig an alle heran. In der Pflegerwelt hatte ich bisher noch niemanden, mit dem ich mich nicht verstanden habe. Abseits der Turniere halten wir den Kontakt meistens eher über Social Media, da halten wir uns up to date. Wenn man dann irgendwas hört oder liest, dann kommt auch mal der direkte Kontakt. Aber insgesamt bin ich nicht so gut in Kontakte pflegen. Oft ist es dann einmal im Jahr dieses ‚Mensch, wie geht es dir, alles Gute zum Geburtstag übrigens‘.
E-I: Für welche anderen Dinge kannst Du Dich begeistern?
L M: Inzwischen ist da eigentlich nicht mehr so viel. Wenn du als Pfleger oder Vollzeitbereiter arbeitest, dann gibst du dein Leben dem Pferd, das ist so. Viel Zeit für anderes bleibt da eigentlich gar nicht.
E-I: Und wie sieht es mit den turnierfreien Wochenenden aus?
L M: Die letzten Monate waren wir irgendwie jedes Wochenende unterwegs. Ansonsten schlafen, Wohnung aufräumen, Wäsche waschen, halt so die Klassiker. Und wenn dann noch Zeit ist, treffe ich mich mal mit Freunden. Meistens fahren wir dann aber auf irgendwelche anderen Turniere und gucken da mal zu. Wenn man als Pfleger auf dem Turnier ist, ist man ja eher im Zelt oder am LKW und kriegt vom Turnier gar nicht so viel mit.
E-I: Wahrscheinlich ein Fremdwort, aber wie sieht es mit Urlaub aus?
L M: Auf jeden Fall geht es in die Heimat, einmal gucken, ob es der Familie gut geht. Man sieht sich halt selten und daher ist der Besuch zu den Feiertagen einfach Pflicht. Ansonsten will ich ans Meer, irgendwohin, wo man sich abkapseln kann. Eigentlich ist hier ein idealer Ort, weil man hier keinen Empfang hat, keine Nachrichten kriegt und keine Anrufe durchgehen. Also einfach mal nichts machen, aber dann auch nur eine Woche. Auch während der Selbständigkeit habe ich selten einen Urlaub ohne meine Pferde gemacht, meistens bin ich dann mit meinen Pferden irgendwo hingefahren. Ohne Pferd geht einfach nicht.
E-I: Danke, Lena für die offenen Worte und Dein ansteckendes Lachen. Hier in Blenheim noch viel Spaß in der analogen Welt.
Auf dem Bild: Lena Matzke bei ihrem ersten CHIO-Einsatz - © Patricia Welp