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Freude in Frankreich: Anna-Katharina Vogel vor ihrem 5*-Debüt in Pau
26.10.2022 - KK
Herzlichen Glückwunsch, Anna-Katharina Vogel zum Geburtstag :-)
Es ist Ende Oktober, Zeit für Les 5 Étoiles de Pau, die im Jahresverlauf zweite kontinentale Prüfung in der Königsklasse der Eventer. Hier im Südwesten Frankreichs zeigt der Sommer dem Herbst noch einmal so richtig seine Hartnäckigkeit: Auf Boulevard des Pyrénées waren es gestern Abend weit nach dem Einbruch der Dunkelheit noch deutlich über 20°, für den Geländesamstag sagen die Meteorologen gar Temperaturen von bis zu 29° voraus.
Viele Jahre war die Domaine de Sers fest in deutscher Hand. Seit Pau in 2007 den fünften (damals noch vierten Stern) angeheftet bekam, konnten von 2008 Bettina Hoy / Ringwood Cockatoo, 2009 Dirk Schrade / King Artus, 2010 Andreas Dibowski / FRH Fantasia und bislang zuletzt 2014 Ingrid Klimke / SAP [ex: Horseware] Hale Bob OLD diese Prüfung gewinnen. Für Michael Jung sind vier zweite und dritte Plätze bis 2016 verzeichnet, für Andreas Dibowski zwei und einmal taucht Frank Ostholt auf. Seit 2017 hat sich kein deutsches Paar mehr in den Top-3 verewigen können.
In diesem Jahr geben DSP Quintana P und Anna-Katharina Vogel, die dazu passend heute ihren Geburtstag feiert, ihr 5*-Debüt. Da sie die einzigen Adlerträger im fast äußersten Südwesten Frankreichs sind, bot sich der Freiraum für das nächste Eventing-Inside:fokussiert geradezu an. Während des Turniers folgen die Beiträge zu DSP Quintana P und zu Simone Katzer, der langjährigen Pflegerin.
Eventing-Inside: Anna-Katharina, zunächst erst einmal HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH zum Geburtstag!!! Quintana hat ihre Ration Gras geknabbert, sich ausgiebig gewälzt und nun bis zum späten Nachmittag frei. Danke, dass Du Dir in dem Freiraum Zeit für dieses Gespräch nimmst. Bitte, stell‘ Dich kurz selber vor.
Anna-Katharina Vogel: Danke. Ich bin Anna-Katharina Vogel, auch Anna, und 26 Jahre seit heute. Ich bin gelernte Bauzeichnerin und arbeite auch in diesem Beruf. Nebenbei mache ich mein Bachelor-Studium und reite in meiner Freizeit drei Pferde.
E-I: Das heißt, Du bist eine der ganz wenigen echten Amateure, die hier unterwegs sind.
A-K V: Ja, ein waschechter Amateur.
E-I: So auf den Spuren von Hinrich Romeike.
A-K V: Ja, vielleicht. - Und lacht dabei.
E-I: Anna, nimm uns mit in Deine Vergangenheit. Wie bist Du zum Pferd gekommen?
A-K V: Eigentlich über meine Familie. Meine Tante, die auch hier dabei ist, hat einen Dressurausbildungsstall in Baden-Württemberg und mein Papa ist früher auch schon ein bisschen geritten - und dadurch wurde es mir quasi so in die Wiege gelegt. Ich hatte zwar lange kein Interesse an Pferden und bin relativ spät angefangen für eine Pferdefamilie. Ich glaube, so mit sieben oder acht Jahren habe ich angefangen, so ein bisschen zu reiten.
Freude in der Dressur: Am Ende wurde es der 14. Platz im kontinentalen Championat mit DSP Quintana P
E-I: Wie war Dein reiterlicher Weg?
A-K V: Richtig angefangen hat alles mit meinem Pony Power Lady. Es ging los mit E-Dressuren und E-Springen und irgendwann hat es mich dann gereizt, in den Busch reinzuschnuppern. Damals gab es noch in Kreuth die Hallenvielseitigkeit und da bin in meine erste VE geritten, das war 2009. Das hat mir so gefallen, dann hab‘ ich da weiter gemacht und bin gleich in 2009 mit auf die Goldene Schärpe gekommen.
E-I: Wie war das mit dem Gelände, war das Dein eigener Antrieb? Hast Du das vorher mal irgendwo gesehen?
A-K V: Das war mein eigener. Ein paar von meinen Freundinnen haben das damals im Ponylager so angefangen und da wollte ich das auch mal probieren. So ein bisschen war es damals wohl durch die Familie Bendtfeld geleitet, die damals im Ponysport schon aktiv waren.
Die Erfolgsstatistik von Anna-Katharina Vogel aus nunmehr 15 Saisons ist so lang, dass die FN in der Datenbank über 30 Zeilen mit den unterschiedlichen Disziplinen und Klassen für die Darstellung ihrer Siege (bis zur Klasse L) und Platzierungen (bis M-Dressur und M-Springen) benötigt. „Mit Quintano P bin ich auch einige S-Springen gegangen, aber da hatten wir immer einen Klotz.“
Gewonnen bis CCI-3* (neu), platziert bis 4*-L (neu) steht in ihrer internationalen Vita bei mittlerweile über 100 Starts seit Marbach 2011. Auf der Pony-EM in Jaszkowo (Polen) ritt sie in dem Jahr gleich ihr erstes internationales Championat. Es folgten als Juniorin der 4. Platz in Jardy 2013 (mit Quintano P) und 2019 der 14. Platz mit DSP Quintana P in Luhmühlen.
E-I: Welcher Ausbilder oder welche Ausbilderin hatte den größten Einfluss auch Deine reiterliche Karriere?
A-K V: Da gibt es viele. Im Springen war es definitiv Thomas Merk. Jetzt im höheren Bereich ist es Werner Ehinger, mit dem trainiere ich ganz viel und er macht auch meine anderen Pferde, wenn ich nicht da bin. Dressurmäßig ist das mit der Zeit auch über mehrere Trainer gegangen und von jedem habe ich etwas mitgenommen. Inzwischen ist die Zusammenarbeit mit Ramona Ritzel ganz intensiv, die ja schon viele Pferde bis zum Bundeschampionat gebracht hat.
E-I: Welches ist das Pferd mit dem größten Einfluss?
A-K V: Definitiv Quintana.
E-I: Weil?
A-K V: Sie war von klein auf kein leichtes Pferd und ich weiß nicht, ob ich das heutzutage noch so machen würde, ob ich das so durchziehen würde. Früher hatte man diesen jugendlichen Leichtsinn. Wenn sie wild waren oder man ist runtergefallen, dann hat man sich den Sand abgeklopft und ist wieder aufgestiegen. Ich weiß nicht, ob man das heute noch so alles wegsteckt - man denkt doch mehr im Alter nach. Ich war sechzehn, als ich sie bekommen habe. Da ist das noch witzig, wenn mal einer bockt und man dabei runter fällt. Aber irgendwann denkt man, das brauche ich jetzt auch nicht mehr.
Vor der schnellen Runde
E-I: Was ist Deine markanteste Erinnerung an nunmehr fast zwanzig Jahre Pferdesport?
A-K V: Da gibt es viele, würde ich sagen. Definitiv Quintana in jungen Jahren auf jedem Turnier war ein absolutes Highlight, wenn ich schon am Dressurabreiteplatz runtergeflogen bin. Da ging gar nichts. Ablongieren, zwei Minuten drauf und dann rein ins Viereck. Auch auf dem Geländeabreiteplatz, da hat sie mich bestimmt so zwanzig bis dreißig Mal im Jahr verloren - sie wollte mich definitiv im Dreck haben. Die erste Pony-Euro war auf jeden Fall ein Erlebnis, wobei die Junioren-Euro in Jardy ist sogar noch mehr in Erinnerung ist, sowohl vom Turnier und man nimmt doch mehr mit, weil man schon etwas reifer ist.
E-I: Weißt Du noch, was Dein höchstes Einzelgewinngeld war?
A-K V: Das war in Salzburg, das weiß ich noch, das war das Hallen-Indoor-Gelände mit an die 4.000 € für den zweiten Platz.
E-I: Wenn ich mir die Liste Deiner Pferde anschaue, taucht immer wieder das ‚P‘ im Namen auf…
A-K V: Mit der Familie Pfitzmann sind wir inzwischen super-gut befreundet. Er hat zum Beispiel auch Quintano, den ich auch international Busch geritten habe, gezogen, der mittlerweile wieder zurück ist und mit der Tochter Hannah in A- und L-Dressuren an den Start geht und die dressurmäßig unglaublich viel von ihm lernt. Die Freundschaft ist inzwischen so gut, ich fahre hin, kann mir ein Pferd aussuchen und krieg‘ es dann zur Verfügung gestellt. Anschließend kann ich dann sagen, ob ich behalten will oder er eventuell verkauft wird. Und wenn ich ihn kaufen möchte, macht er mir einen fairen Preis.
E-I: Wir hatten das vorhin schon einmal mit der Amateurin. Hat es da auch mal andere Überlegungen gegeben?
A-K V: Lebenslang wollte ich es nie machen. Ich war ja mal ein Jahr bei der Bundeswehr in Warendorf, aber auf Dauer war nur reiten für mich keine Option. Mein Papa hat ein Ingenieurbüro, da lag das mit der Bauzeichnerin nahe. Jetzt studiere ich nebenbei noch und kann irgendwann sein Büro fortführen. Es macht mir einfach Spaß, es ist ein toller Beruf und man ist dabei auch abgesichert.
Anna-Katharina Vogel: „Sie springt immer.“
E-I: Wo siehst Du Deine sportlichen Ziele?
A-K V: Eines dieser Ziele ist definitiv diese 5* hier, das ist schon seit langem ein Ziel und ein großer Traum. Das habe ich mir schon damit erfüllt, dass ich jetzt hier bin. Ich hab‘ mir gesagt, dass ich hier gar nicht verlieren kann, ich kann nur gewinnen.
E-I: Welche Ziele hast Du im Reitsport neben der Reiterei?
A-K V: Die Jungpferdeausbildung macht mir inzwischen sehr, sehr viel Spaß und bei uns im Verein gebe ich sehr viel Unterricht. In Friedrichshafen habe ich das 8er-Team von Baden-Württemberg betreut, und das macht mir super-viel Spaß.
E-I: „Ich gebe sehr viel Unterricht“, Du reitest, Du bildest die Pferde aus, Du hast Deinen Beruf, Du hast Dein Studium - wie viele Stunden hat Dein Tag?
A-K V: -lacht- Das fragen viele, wie machst du das alles? Der Tag ist lang, ich fang‘ um 6 Uhr an zu arbeiten, danach geht es in den Stall, dann ins Studium und abends ab 18, 19 Uhr mache ich den Unterricht. Wenn man weiß, was man will, entwickelt sich eine gewisse Selbstdisziplin und dann geht das schon.
E-I: Welche Erinnerungen hast Du an Luhmühlen 2019?
A-K V: Das waren viele Emotionen, ganz viele Emotionen. Vom Kopf her war das ganze Jahr sehr anstrengend. Ich wollte da hin, hatte jahrelang darauf hingearbeitet. Mein eigener Druck war von Anfang an da, weil ich unbedingt mit wollte. Ich wusste, die Deutschen richten die EM aus, ich wusste, wir haben zwölf Startplätze - und davon wollt ich einen haben. Dann bin ich auf der Deutschen Meisterschaft, auch in Luhmühlen, so blöd gestürzt. Schon 2011 war ich als Ponykind als Zuschauerin in Luhmühlen dabei. Da war ich so fasziniert und wollte so etwas auch mal reiten. In Marbach sind wir sehr gut in die Saison gestartet, da war ich neben Andrew [Hoy - Vassily de Lassos] die einzige in der Zeit. Dann kam die Deutsche in Luhmühlen und das hat einen ganz, ganz großen Dämpfer gegeben, da ist sie mir ganz am Schluss ins Wasser gefallen. Das war schon ein kurzer Weltzusammenbruch. Dann ging es in Jardy und Strzegom wieder ganz gut.
E-I: Wie ging es Dir, als Du von Deiner Nominierung erfahren hast?
A-K V: Ich glaube, das war für Hans [Melzer] der emotionalste Anruf. Ich glaube, ich habe erst einmal ins Telefon geschrieen und bin dann angefangen zu weinen. Als ich den Telefonhörer aufgelegt hatte, habe ich zuerst meinen Papa und dann meine Pflegerin [Simone Katzer] in den Arm genommen.
E-I: Erzähl vom Championat…
A-K V: Für den Kopf fand ich das sehr anstrengend, es gab so viele Eindrück, so viel Input. Ich war vom ersten Moment an überwältigt - so mit allem. Ich habe mich zwar nicht beobachtet gefühlt, aber es war einfach zu viel.
Die Dressur lief für unsere Verhältnisse sehr gut und dann ging es ab. Nach dem Gelände musste ich zu den Richtern kommen, weil wir im Gelände so schnell [9:43 Minuten bei 10:10 Bestzeit] unterwegs waren. Jens Adolphsen [der Equipechef und von Beruf Jurist] war mit dabei. Er hat dann gefragt, ob es gefährlich ausgesehen hätte, wo es genau zu schnell war, ob das Pferd müde ausgesehen oder schlechte Sprünge gemacht hätte und wo das Problem war. Im Endeffekt konnten sie nicht sagen, wo das Problem war, außer das die Zeit auf der Uhr nicht gepasst hat.
E-I: Wie war es am Sonntag vor den letzten Sprüngen im Stadion?
A-K V: Da steigt schon die Anspannung, da denkt man sich ‚nur jetzt bloß nicht irgendetwas noch falsch machen, sondern es gut nach Hause bringen‘. Über dem letzten Sprung war das Gefühl phänomenal, da habe ich mich unheimlich gefreut. Im Kopf hat das eine ganze Weile gedauert, bis ich realisiert habe, was da alles passiert ist. Als ich aus dem Stadion herausgeritten bin, war ich einfach nur glücklich und es ist unheimlich viel Ballast von mir abgefallen - da war ich erleichtert.
Freude nach der Dressur
E-I: Was hast Du aus Luhmühlen mit in die Zeit danach genommen?
A-K V: Man lernt viel, man lernt ganz viel. Man kann es nicht vergleichen mit einer andern Vier-Sterne, du hast nie so viele Pressegespräche, du hast nie so viel Druck. Sportlich reift man auf so einem Championat.
E-I: Anna-Katharina, danke für Deine sehr offene Art, für die vielen Einblicke. Dir noch einmal alles Gute zu Deinem Geburtstag und Hals- und Beinbruch hier in Pau.
Danke an Ingo Wächter (www.iw-images.de) für die eindrucksvollen Aufnahmen von der Euro 2019 in Luhmühlen.