Olympia in Tokio

Hier sind alle Eventing-Inside-Berichte zur

Vielseitigkeitsprüfung


29.07.2021-KK Die Olympia-Vielseitigkeitsprüfung ist gestartet

Jane Hamlin (USA), Nick Burton (GBR) und Christina Klingspor (SWE) haben ihren ersten Arbeitstag in Tokio absolviert: Die Verfassungsprüfung der Eventer. Alle Pferde der deutschen Equipe Amande de b'Neville (Julia Krajewski), fischerChimpmunk FRH (Michael Jung) und Viamant du Matz (Sandra Auffarth) haben das erhoffte "passed" im ersten Anlauf erhalten.

Castle Larchfield Purdy (Lauren Billys - PUR) benötigten den Umweg über die Holdingbox, Banderas (Pawel Spisak) wurde nach dem zweiten Versuch eliminiert. Für das höchst-gehandelte polnische Paar rücken nun Jard und Jan Kaminski nach. Einen weiteren Wechsel hatte es schon gestern gegeben: Triton Fontaine / Karim Florent Laghouag ersetzen Birmane / Thomas Carlile im französischen Team.

Losgelöst von allen Diskussion rund um die Spiele, soll in unserer aktuellen Berichterstattung der Sport im Vordergrund stehen. Die Themen Außenwirkung und Kommerz, auch das Risiko, das Covid-Virus exponentiell weiter in die Welt zu tragen, sind elementar wichtige Punkte, die in einer offenen und ehrlichen Nachbetrachtung der Spiele analysiert und aufgearbeitet gehören. Mit Argusaugen sollte die aktuelle gesundheitliche Situation betrachtet werden und sofern notwendig, einen Abbruch der Spiele nach sich ziehen.

Im deutschen Lager wird eine Post-Olympia-Diskussion um die deutsche Nominierung notwendig werden, um die Nachwuchskräfte erfolgreich in die Zukunftsplanung einzubinden: Ein Start unter den olympischen Ringen ist für die meisten SportlerInnen einer DER Höhepunkte ihrer Karriere - und damit Ziel und Ansporn zugleich.

Bis zum ersten Glockenzeichen am Rande des Dressurvierecks bleibt noch Zeit, ein paar Blicke auf die Reiter und später auch auf die Pferde zu werfen.


Generell gehören viele der Pferdesportler zu den Dauerbrennern. Die meisten Einsätze im Schatten des olympischen Feuers hatte der Springreiter Ian Millar, der von München 1972 bis London 2012 insgesamt zehn Mal beim Weltfest der Jugend antrat. Hinzu kommt sein Einsatz beim Internationalen Festival des Reitsports 1980 in Rotterdam (der Gegenveranstaltung zu den boykottierten Moskau-Spielen), wo er mit dem kanadischen Team die Goldmedaille gewann.                  

Von den 43 Olympioniken, die sieben Mal oder häufiger antraten, sind allein 11 Reiter, darunter auch Ludger Beerbaum sowie die Vielseitigkeitsreiter John Michael Plumb (USA), Mark Todd (NZL) und Andrew Hoy (AUS). Nach diesen Spielen wird Phillip Dutton (USA, früher AUS) ebenfalls in diesem erlauchten Club vertreten sein. Seiko Hashimoto (JAP) benötigte für den Eintritt lediglich 12 Jahre: Sie fuhr im Sommer Rad und sprintete im Winter übers Eis. Sollten alle gemeldeten Sportler in Tokio antreten, wird Andrew Hoy einer von lediglich 17 Aktiven sein, die acht oder mehr Austragungsorte gesehen haben.

Apropos Andrew Hoy: Mit seinen 62 Jahren ist er der Senior der Eventer. In dieser "Rangierung" stünden drei (Thies Kaspareit, Matthias Baumann und Ralf Ehrenbrink) der vier deutschen Olympiasieger von Seoul 1988 hinter ihm, lediglich Claus Erhorn ist knapp zwei Wochen älter. Weitere fünf Reiter liegen oberhalb der 50, dazu kommen 11, die ihren 40ten bereits gefeiert haben. Um die Leistung von Andrew Hoy richtig einzuordnen: Würde das aktuelle deutsche Team (bezogen auf den Altersschnitt) in seinem Alter noch olympisch reiten, gäbe es erst 2052 eine neue Equipe mit Adlerträgern. Hut ab, Andrew!!!

Auf der anderen Seite der Skala steht Lea Siegl (AUT), die einen Tag jünger ist als Robin Godel (SUI) > beide werden im August 23; auch Malgorzata Cybulska (POL) ist in 1998 geboren, weitere fünf ReiterInnen in 1996 bzw. 1997.

Die jüngsten der 15 Teams schicken die Verbände aus Thailand, der Schweiz (je 30 Jahre) und Polen (31) ins Rennen, die Veteranen kommen aus Australien (55), den USA (46) und Frankreich (40). Die deutsche Mannschaft liegt mit ihren durchschnittlich knapp 35 ½ Jahren im Mittelfeld - hoffentlich eine am Ende erfolgreiche Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und jahrelanger Erfahrung. Würde man die Geburtstage aller 65 Starter gegeneinander aufrechnen, gäbe es am 9. September eine Party mit 37 Kerzen auf der Torte.

Zwölf der Top-20 der aktuellen Weltrangliste mit Oliver Townend (GBR) und Tim Price (NZL) an der Spitze treten in Tokio an, darunter sind alle drei Amerikaner, je zwei Briten, Neuseeländer, Australier. Einmal vertreten sind die Schweiz und Irland, hinzu kommt Michael Jung (9.) als bestrangierter deutscher Starter. Julia Krajewski steht im Moment an 48. Stelle, Sandra Auffarth folgt auf Platz 56. Andreas Dibowski, der sich als Reservist in einer Art Rufbereitschaft befindet, hat Rang 50 inne. Sechs ReiterInnen werden mit Platzziffern jenseits der 500 geführt.

In der Vergangenheit waren 13 ReiterInnen bereits in 5*-Prüfungen (bzw. 4* nach dem alten System) siegreich, darunter auch Sandra Auffarth, Julia Krajewski und Michael Jung. Sollten sich Andrew Hoy und Michael Jung die Tokio-Goldmedaillen aufteilen, würden sie gemeinsam zum bisherigen erfolgreichsten Eventing-Olympioniken aufschließen: Charles Pahud de Mortanges (NED) hat in seiner Laufbahn vier Gold- und eine Silbermedaille gewonnen und war der erste Teilnehmer, der 1928 in Amsterdam und 1932 in Los Angeles bei zwei aufeinanderfolgenden Spielen den Einzeltitel errang. Dieses Kunststück schafften in der Folge lediglich noch Mark Todd 1984-Los Angeles / 1988-Seoul sowie Michael Jung in London 2012 und Rio 2016.

Allen Reitern ein Hals- und Beinbruch für tolle Wettkampftage in Tokio.

© für das Bild vom Olympia-Reitstadion: FEI/Christophe Taniere


29.07.2021-KK Ein Blick auf die Olympia-Vielseitigkeitspferde

Zunächst jedoch gibt es weitere Veränderungen im Teilnehmerfeld zu vermelden: Wie "HorseandHound" berichtet, übernehmen Colorado Blue/Austin O'Connor den irischen Teamplatz von Rioghan Rua/Cathal Daniels und Don Quidam/Kevin McNab ersetzen Leporis/Stuart Tinney.                      

Wahrscheinlich werden bei dieser olympischen Vielseitigkeit in Deutschland überproportional viele Daumen gedrückt werden. Neben den Familien, Freunden und Fans unserer Equipe dürfte die Spannung in vielen Züchterställen zwischen Holstein und Bayern von Tag zu Tag steigen. Mit 19 Pferden haben die meisten in Tokio ein deutsches Papier (inklusive der Trakehnerfreunde). Knapp dahinter folgen die französischen Vierbeiner (15). Die einst so starken Iren sind achtfach vertreten, sieben Fohlen sind in den Niederlanden eingetragen worden. Bei den Zuchtgebieten führt das Selle Français (13) die Rangierung vor dem Irish Sport Horse (8) und dem holländischen KWPN sowie den Holsteinern (je 6) an. Insgesamt sind 21 Zuchtbücher vertreten.

Sandra Auffarth und Viamant du Matz präsentieren sich den Richtern in der ersten Verfassungsprüfung

 

© FEI/Christophe Taniére

 

Michael Jung und fischerChipmunk FRH bei der gemeinsamen Olympiapremiere


© FEI/Christophe Taniére

 

Es hat immer noch etwas von "Catwalk": Lara de Liedekerke und Alpaga d'Arville

 

© FEI/Libby Law Photography

 


Marcelo Tosi aus Brasilien sattelt mit Glenfly den einzigen Vollblüter, je drei Tokio-Starter haben einen xx-Vater bzw. eine xx-Mutter. Im Vorfeld der Spiele ist sehr viel über die Notwendigkeit der möglichst hoch im Blut stehenden Pferde diskutiert worden. Die Starterliste zeigt ein anderes Bild: Lediglich 11 Teilnehmer haben einen Vollblutanteil (recherchiert bei Horsetelex) von mehr als 70 Prozent, bei weiteren 20 liegt er oberhalb von 50 Prozent > mehr als die Hälfte der Pferde liegt noch darunter. In diesem Zusammenhang kam ein Zitat von Christoph Wahler (Pau 2020) wieder ins Gedächtnis: "… die [Horsetelex] rechnen dir ja jeden Warmblüter auf vierzig Prozent…". Da bleibt zu hoffen, dass alle Pferde gut mit den klimatischen Bedingungen zurechtkommen.

                            

Balham Mist (*2007 / Ludwig Svennerstal - SWE) und Colorado Blue (*2009 / Austin O'Connor - IRL) sind beide Nachkommen der Stute Rock me Baby (von Rock King - Shaab xx).  Mit Vassily de Lassos (Andrew Hoy - AUS), Ferreolus Lat (Miloslav Prihoda jun. - CZE) und Colorado Blue ist Jaguar Mail (von Hand in Glove xx - Laudanum xx) dreifach als Vater vertreten. Laudanum xx taucht dazu noch ein weiteres Mal als väterlicher Großvater auf.

             

Doppelt als Erzeuger vertreten sind Contendro I (u.a. fischerChipmunk - Michael Jung), Diamant de Semilly (u.a. Viamant du Matz - Sandra Auffarth), Fidertanz (über den Sabine Brandt im Zuge der Recherche schrieb: "Wenn unter den 65 vermeintlich weltbesten 5* Buschpferden ausgerechnet der blutlose Dressurvererber Fidertanz (Fidermark x Ravallo x Frühlingstraum) gleich zweimal in ebenso blutloser Anpaarung auftritt (22% nach Horsetelex), dann ist das schon bemerkenswert. Seine züchterischen und sportlichen Grand Prix-Aushängeschilder sind Foundation (Matthias Alexander Rath) und Ingrid Klimkes Franziskus, der in den deutschen Olympiakader berufen war."), Mr. Blue (der zusätzlich noch im väterlichen Pedigree von Amande de b'Neville auftaucht und mit dessen Sohn Plot Blue Markus Ehning 2010 Mannschaftsweltmeister in Lexington/Kentucky war), Quidam de Revel und Windfall (mit dem 1992 geborenen Habicht - Madruzzo xx-Sohn feierte Ingrid Klimke viele Erfolge, auch in internationalen Prüfungen; nach seinem Verkauf in die USA stieg Darren Chiacchia in den Sattel des Trakehners und startete bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 > 12. in der Einzelwertung, Bronze mit dem Team).

Den 52 männlichen Vierbeinern stehen gerade einmal 13 Stuten gegenüber. Der 20-jährige Tayberry (Thomas Heffernan - HKG) wird gegen allein 6 Vertreter des Jahrgangs 2011 antreten. Das Gros der Pferde (34) wurde zwischen 2007 und 2009 geboren, weitere 10 2010. Der 2004 geborene Cato (Louise Romeike - SWE) ist mit seinen 69 internationalen Einsätzen das erfahrenste Pferd im Feld, dagegen wirken Vitali (*2010 / Tim Price - NZL) und Fuiloda G (*2010 / Rafael Mamprin Losano - BRA) mit 12 Prüfungen wie Novizen. Insgesamt standen die Namen der Pferde mehr als 2.000 Mal auf den CCI-Starterlisten, woraus sich ein Schnitt von etwas über 31 ergibt. Mehr als die Hälfte Teilnehmer hat sich mit zwei bis vier Kurzprüfungen auf diese Olympischen Spiele vorbereitet, 18 Pferde sind seit Neujahr bereits "lang" gelaufen, darunter acht beim bisher einzigen 5*-Event in Kentucky (u.a. der Sieger Ballaghmor Class mit Oliver Townend und der drittplatzierte Grovine de Reve mit Jonelle Price).

Knapp ein Drittel (20) der startenden Pferde hat auf dem Ausbildungsweg bereits einen bzw. zwei (4) Starts in Le Lion d'Angers absolviert. Bestplatziert waren dabei Jet Set von Robin Godel (2013 2. mit Andrew Nicholson) und Toledo de Kerser der heute wie in 2014 (ebenfalls zweiter) von Tom McEwen geritten wird.



30.07.2021-KK Der Dressur erster Teil

Ein bewölkter Morgen in Tokio, die Temperatur und die hohe Luftfeuchtigkeit lassen sich aus der Ferne nur erahnen, temporär in der Ferne ein Sirenengeheul, das an Manhattan erinnert, dazu ein perfekt vorbereitetes Team auf einer perfekt vorbereiteten Reitanlage mit leeren Rängen - die Rahmenbedingungen für die Frühaufsteher der Eventer am ersten Dressurtag. Die Briten setzten mit Ballaghmor Class und Oliver Townend eine erste deutliche Duftnote ihres Olympia-Anspruchs. Von Don Geniro und Alex Hua Tian war bekannt, dass eine Leistung im niedrigen 20er Bereich durchaus möglich ist, Julia Krajewski hatte sich mit ihrer Amande de b'Neville eine 25 vorgenommen. Genau diese drei Paare führen die Gesamtwertung nach dem ersten Mannschaftsdurchgang und den ersten sechs Einzelreitern an. Für die Aktiven hatte es etwas von einem Kurzeinsatz: Diese Olympia-Dressuraufgabe ist sehr kompakt mit 20 Lektionen gespickt. Vinci de la Vigne und Kazuma Tomoto (4. mit 25,90 Punkten) haben für die Strecke vom Einritt bis zum Abschiedsgruß gerade einmal 3:05 Minuten benötigt.

Bis ganz nach vorne galoppiert: Ballaghmor Class und Oliver Townend (GBR)

© FEI/Libby Law Photography

Das war ein besonderer Auftakt. Bereits als zweite Starter schickten die britischen Team-Verantwortlichen um Chris Bartle die Kentucky-Sieger Ballaghmor Class / Oliver Townend als "Pathfinder" auf das Viereck. Sie wurden Pfadfinder für die Notengebung der Richter. Ein kleiner Trittfehler in der Linkstraversale, ein Superhalt vor dem Rückwärtsrichten (8,5 - 9 - 8), der Schimmel im Schritt immer sicher schreitend, vier gute Galoppwechsel, dazu die passende Galoppverstärkung, Ollis Sitz und eine öfter nach vorne kommende Nase hätten die Abzüge von den 100 Prozent noch etwas kleiner ausfallen lassen können - am Ende wurden knapp 17 Punkte abgezogen und es blieb eine Bewertung von 23,60 Punkten. Die Führung hat immer noch Bestand.


Adel verpflichtet: Mit Donnerhall auf beiden Seiten des Pedigrees ist eine gute Dressur eigentlich ein Muss - auch in der Vielseitigkeit. Genau das lieferten in der ersten Gruppe Don Geniro / Alex Hua Tian (CHN) auch ab. Standesgemäß auf Kandare gezäumt, aber deutlich schlanker als die Spezialisten (der Transporteur Peden Bloodstock hat ausgerechnet, dass die Dressurpferde im Schnitt über zwei Zentner mehr Gewicht mit sich herumschleppen als die Eventer), dennoch in der Außenwirkung gleichsam strahlend kam Don Geniro auf das 60er Viereck. Nach dem starken Trab stand die Bewertung bei 85 %. Dagegen kostete das hektische Rückwärtsrichten Punkte. Beim letzten Galoppwechsel und in der Galoppverstärkung ließen der Fuchswallach und der hoch-aufgeschossene Chinese, die in England leben, die Punkte liegen, die die neue Führung bedeutet hätten. Auf der anderen Seite: 23,90 bei Olympia, das hat auch schon was. Die ausgestreckte Reiterfaust nach dem Gruß sollte das wohl unterstreichen.

Vielleicht gelingt ihnen hier der ganz große Sprung: Don Geniro und Alex Hua Tian

© FEI/Libby Law Photography


Ganz schön gut für ein Springpferd: Amande de b'Neville (Bes: Bernd Heicke & die Reiterin) und Julia Krajewski

© FEI/Libby Law Photography

Den Rahmen ihrer Möglichkeit voll und sehr gut ausgeschöpft, so ist der Auftritt von Amande de b'Neville, von der ihre Reiterin Julia Krajewski sagt, sie habe "ein paar PS mehr als andere Pferde", mit einem Satz beschrieben. Bereits beim Einreiten hatte das erste deutsche Paar die Mittellinie genau getroffen, ohne Gruß auf die rechte Hand, der Wechsel durch die ganze Bahn im starken Trab, das hat mit 8 - 8,5 - 8 hohe Einzelnoten gegeben. Weiter mit dem ersten Teil der Seitengänge - gut gelungen, etwas auslaufend die Parade zum Halt bei C. Die Stute steht, gutes Rückwärtsrichten, danach der zweite Teil der Seitengänge im Trab. Aus der Sicht des Fernsehzuschauers einen Ticken besser als die ersten.

Ein sicherer Übergang zum Schritt, der Hals fällt im starken Schritt vielleicht schon etwas zu tief. Dann einer klitzekleiner Schreckmoment: "Sie war sehr konzentriert, abgesehen von einem kleinen Moment im Schritt, wo sie so hochguckte und möglicherweise die Leinwand gesehen hat oder festgestellt hat, es ist jetzt doch was Besonderes hier. Aber sie war dann sofort wieder konzentriert und hat gezeigt, was sie kann, und darauf bin ich doch stolz." Die Richterin Jane Hamlin bei E zeigte mit der 5,5-Bewertung eine deutliche Reaktion.

Der sofortige Blick auf die Noten: Julia Krajewski

© FEI/Christophe Taniére


In der Galopptour vier tolle fliegende Wechsel und auch hier gute Seitengänge, die Galoppverstärkung sah aus, als hätte sie ein paar Prozent mehr Mut vertragen, so wie der letzte Halt etwas mehr Ruhe. Eine lächelnde Julia streckte die rechte Faust mit dem schwarzen Handschuh freudig nach vorn. "Mein Ziel waren 25 Punkte und das haben wir geschafft“. Im Zwischenklassement stehen nun 25,20 Punkte und der dritte Platz. Noch ein O-Ton: "Der erste Schritt ist gemacht: „Amande ist jetzt kein Dressurpferd, das fällt ihr nicht ganz so leicht. Springen ist mehr ihr Metier. Die Aufgabe ist schon anspruchsvoll für unsere Pferde. Deutlich steilere Traversalen im Trab, dann die Zick-Zack-Traversalen im Galopp, auch wenn man etwas Platz hat. Das fällt nicht ganz leicht und unseren Pferden schon mal noch weniger. Ich war froh, wie sie sich hat reiten lassen."

Die Zitate sind dem Live-Ticker der FN entnommen.


30.07.2021-KK Der Dressur zweiter Teil

Mittlerweile haben die RichterInnen zwei Drittel der vermeintlichen zukünftigen Olympiasieger in der Dressur bewertet. Im Moment könnten fünf Sekunden Zeitüberschreitung im Gelände bereits so manche Medaillenhoffnung vereiteln.

Im Einzelklassement konnte niemand die Top-3 des Vormittags erreichen, die Team-Reihenfolge wurde aber gehörig durcheinandergewirbelt - und das zu Lasten der Adlerträger, die vor der letzten Dressur-Runde auf den fünften Platz abgerutscht sind. Rauf ging es für die Schweden von 6 auf 2; würde nun mit einer Medaillenvergabe abgebrochen, ging Bronze an die Japaner. Wie aussagefähig aktuelle Zwischenergebnisse überhaupt sind, wird sich bestimmt erst am Sonntag zeigen - gerade ob der neuen Bewertung ohne Streichergebnis. Von "da ist noch alles offen" bis "die besten Teams werden ihre drei Dressurergebnisse am Sonntag über die Ziellinie bringen" scheint alles möglich zu sein. Und dann kommt ja auch noch der Montag…

"Es war doch ein Unterschied vom Licht her, wenn man von draußen nach drinnen kam, das ist mir beim ersten Mal, als wir unter Flutlicht geritten sind, nicht so aufgefallen. Mit den Kameras und den Leinwänden hat es doch anders geschimmert, so dass er in der Ecke ein bisschen guckig war. Dann glaube ich, dass wir einen guten Anfang hinbekommen haben, da hatte ich ein gutes Gefühl, er hat sich super zusammengerissen und wollte es gut machen, aber dann hatte ich ein paar teure Fehler, die es am Ende auch ausgemacht haben. Aber gut, so ist es eben" diktierte Sandra Auffarth ihre Einschätzung unseren FN-Verantwortlichen ins Notizbuch.                 

Der Mensch mit der Fernsehkamera fing vor dem Einritt ein Gesicht ein, dass ein gehörige Portion Selbstbewusstsein ausstrahlte. 'Mat' bekam noch einen lobenden Klaps an die Flanke, ein paar Trabtritte, dann im Rechtsgalopp auf die Mittellinie. Lasst die Spiele -richtig- beginnen. Die ersten Lektionen gelangen gut, vielleicht wäre im starken Trab noch mehr möglich gewesen - aber das spürt nur die Reiterin im Sattel. In allen ersten Lektionen liegen die Bewertungen bei mindestens 70 %, gingen in der Trabverstärkung und der Passage nach links gar auf 73 % hoch. Dem Halt vor dem Rückwärtsrichten fehlte die Geschlossenheit: 6,5 6,5 - 7. Anschließend wieder alles um die 70. Teuer war heute die Galopparbeit. Das falsche Angaloppieren quittierten alle drei RichterInnen mit einer 4. Zwei guten fliegenden Wechseln nach links standen zwei unterdurchschnittliche nach rechts gegenüber. Die Traversalen dazwischen und der starke Galopp als letzte lange Seite: neun Mal die 7 für Viamant du Matz. In die Bücher geht dieser Ritt mit 34,10 Punkten und dem 27. Platz nach 42 Startern.

Noch einmal Sandra: "Am Ende ist das jetzt abgehakt für mich. Morgen früh werde ich direkt ein paar Geländesprünge machen, um den Kopf frei zu bekommen, und werde ins Gelände fahren, die Strecke nochmal besichtigen und mich auf die nächsten Aufgaben konzentrieren."

Aus Holstein über Großbritannien nach Japan: London (Züchter: Ocke Riewerts) und Laura Collett

© FEI/Libby Law Photography

Vorher schon hatte der britische Stempel ein zusätzliches Fass Tinte verabreicht bekommen. Hochkonzentriert, fit, anscheinend gut eingestellt und an der passenden Stelle eingesetzt galoppierten London / Laura Collett auf das Viereck. Der Gesichtsausdruck sah nach 'das ist jetzt meins' aus. Alle Lektionen oberhalb von 70 %, in der Trabverstärkung benötigte der hochgewachsene Braune etwas Anlauf, beim Rückwärtsrichten fiel die erste 9. Der Einstieg in die Galopparbeit war eher mäßig, hier gab's die erste 6,5. Teuer (ein Punkt je Richter bei einer Lektion "kostet" in der Gesamtbewertung fast einen halben Punkt) war der erste fliegende Wechsel mit 6,5 - 5 - 5. Mit 25,80 Punkten in der Satteltasche geht's am Sonntag ins Gelände.

Aus der Nachmittagsgruppe schoben sich zwei -ehemals unter deutschen Sätteln erfolgreiche- Pferde in die Top-10 - und das sogar mit identischen Bewertungen. Louise Romeike hatte im letzten Jahr den Beritt von Cato übernommen. Claas Hermann sah keine Möglichkeit, sich für das Bundes-Olympia-Team zu qualifizieren und wollte über diesen Weg die Chancen seiner Frau auf einen Platz in der schwedischen Mannschaft erhöhen. Gedacht, gesagt, getan und am Ende erfolgreich. Ohne Patzer absolvierte der Holsteiner Contendro-Sohn mit den drei Kronen auf der Kruppe mit seiner Reiterin jede einzelne Lektion, sammelte in den gut drei Minuten sechs Mal eine 8 ein und liegt nun mit 28 Punkten auf dem 7. Platz.                    

Nach ihrem Sturz mit Seigneur (Medicott) bei der Strzegom-Europameisterschaft 2015 hatte Bettina Hoy einige Wochen später die Kurzprüfung in Langenhagen gewonnen und dann die Zügel an Fouaad Mirza übergeben, der einen Monat später gleich ein CCI-1* in Montelibretti gewinnen konnte. Mittlerweile liegen in der Vitrine zwei Silbermedaillen der Asien-Spiele 2018. Heute gefielen Reiter und Pferd als Paar, hier die lockeren Bewegungen mit der tollen Selbsthaltung, da der gute Sitz. Wahrscheinlich wäre die eine oder andere Bewertung mit mehr 'Nase vor" noch etwas höher ausgefallen, aber es gab keinen Ausreißer nach unten - und bei der Olympia-Premiere mit 28 Punkten ins Gelände zu starten hat schon was.

Beide waren schon auf den WEG-Tryon: Vinci de la Vigne (mit Astier Nicolas) und Kazuma Tomoto                 

© FEI/Libby Law Photography

Im fast letzten Moment noch umgesattelt: Colero (*2008 von Captain Fire - Bormio xx / Züchter: Heinrich und Stephan Schwert, Besitzer: Jürgen Vogg) und Felix Vogg                    

© FEI/Christophe Taniére


Wahrscheinlich zwischen zwei Zigarillos hatte auch Bundestrainer Hans Melzer einen Moment Zeit: "Ja, das war schade mit Sandra, mit dem verkehrten Angaloppieren. Das ist bei dieser Aufgabe teuer, wenn du einen Fehler machst, denn es kommt nicht mehr viel, wo du noch punkten kannst. Das war schade, aber okay, so ist der Sport. Der Abstand ist größer als wir erhofft hatten, aber wir haben ja noch einen Trumpf im Ärmel, da hoffe ich, dass wir noch ein bisschen nachlegen können. Wir hatten schon gedacht, dass 26 oder 28 Minuspunkte möglich wären."


Die Zitate sind dem Live-Ticker der FN bzw. deren Pressemitteilung entnommen.



31.07.2021-KK Der Dressur dritter Teil

Das war ein Statement: Der erste Part des seit vielen Jahren geplanten Saisonhöhepunktes ist voll gelungen. fischerChipmunk FRH und Michael Jung setzen sich als vorletztes Paar ganz an die Spitze der nun 62 Teilnehmer, Ballaghmor Class und Oliver Townend (GBR) rutschen damit um einen Platz zurück. Im Zwischenklassement folgen Don Geniro und Alex Hua Tian (CHN) und mit Amande de b'Neville und Julia Krajewski auf dem vierten Rang bereits das zweite deutsche Paar. Die Briten konnten ihre Teamführung verteidigen, haben aber nun die Adlerträger im Nacken. Durch eine starke Leistung von Vitali und Tim Price rücken die Neuseeländer von 6 auf 3 vor.                             

"Der Druck ist sicher da. Wir wollen gewinnen, klar. Wer vorne mitmacht, will seine beste Leistung abliefern, der will der Beste sein. Am Ende ist wichtig, dass man selbst zufrieden ist. Aber wir wollen nicht nur mitmachen, sondern auch eine super Leistung abliefern" war die Einschätzung von Michael Jung, der heute seinen 39. Geburtstag feiert, vor dem Dressurstart. Dieser Maxime sollte er sehr treu bleiben. Höchste Noten gab es für ihn und fischerChipmunk FRH von allen RichterInnen in jeder der 20 Lektionen. Keine einzige Bewertung war unter 7, jeder der Juroren hatte das Paar am Ende auf dem ersten Platz. Insgesamt sammelten die beiden in den Galopplektionen mehr Punkte als im Trab und Schritt, die höchste Bewertung gab es mit 8 - 8,5 - 9 für die Harmonie zwischen Reiter und Pferd, die sogar doppelt in das Ergebnis einfließt. Die 21,10 Punkte bringen einen kleinen Vorsprung von 2,50 Punkten auf Ballaghmor Class / Oliver Townend.

Nach dem Gruß wusste er, was beide geleistet hatten und reckte mit seinem verschmitzten Lächeln die Faust in die Luft. Auf dem Weg zum Stadionausritt ging nach der Notenbekanntgabe der Daumen senkrecht und zehn Meter weiter versuchte er vom Pferd aus eine La Ola-Welle zu starten. Später dann: "So weit perfekt. Ich bin richtig glücklich. Chipmunk ist in super Form, hat mir auch schon die ganzen Wochen vorher ein super Gefühl gegeben. Das beruhigt einen als Reiter natürlich auch. Das sind meine dritten Olympischen Spiele mit einem neuen Pferd. Ich bin sehr dankbar dass ich wieder dabei bin. Bin überglücklich jetzt erst einmal."

Momentaufnahme im starken Trab…: fischerChipmunk FRH (Züchter: ZG Meyer-Kulenkampff, Besitzer: Deutsches Olympiade-Komitee für Reiterei e.V., die Eheleute Klaus und Sabine Fischer und der Züchter) und Michael Jung

© FEI/Christophe Taniére

Der Tag ist ein Lächeln wert: Michael Jung liefert an seinem Geburtstag mit fischerChipmunk FRH eine Top-Performance ab - doppelt: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!!

© FEI/Christophe Taniére

… und im Galopp - die heutige Vorstellung hätte unter normalen Umständen ein volles Stadion verdient gehabt

© FEI/Christophe Taniére

Hans Melzer ergänzte: „Ja, ich hatte das gehofft, aber dass er dann so etwas abliefert, an seinem Geburtstag. Das ist natürlich toll. Fehlerlos. Die ganzen Tage in Warendorf war er schon so entspannt. Das war klasse. Man kann sagen, dass ihm die Olympiavierschiebung gut getan hat, dass er noch mehr Zeit hatte, sich mit dem Pferd zu finden, jetzt ist das eine ganz tolle Partnerschaft. Das haben schon die Prüfungen in diesem Jahr gezeigt. Wo er mit ihm geritten ist, hat er gewonnen." Zur Platzierung des deutschen Teams auf Platz zwei hinter Großbritannien ergänzte er: "Wir sind jetzt wieder in Schlagweite. Aber morgen ist neuer Tag."                    

Für Michael ist es eine neue Olympia-Situation, hatte der doch in London (9.) und Rio (5.) mit Sam zwar Kontakt zur Spitze, konnte aber erst durch fehlerfrei Cross- und Parcoursrunden ganz nach vorne reiten. Das er auch anders kann, hat er bei der 2010er Weltmeisterschaft in Kentucky unter Beweis gestellt und nach der Dressurführung das Ergebnis ins Ziel gebracht.

Lediglich ein weiterer der letzten 20 Starter konnte in die Top-10 vordringen: Mit einem sehr professionellen Ritt ging es für Vitali / Tim Price dank der 25,60 Punkte bis auf den 5. Platz. Als die beiden nach dem Einritt bei 'C' ankamen, hatten die Fehler zu einer 5 - 5 - 5-Bewertung geführt, doch schon im starken Trab waren beide auf der Überholspur und lieferten beim erst vierten gemeinsamen internationalen Vielseitigkeitsevent in jeder Lektion und in allen Gangarten konsequent ab. Kleine Unsicherheiten beim Rückwärtsrichten und bei einem fliegenden Galoppwechsel wurden durch die 8 - 8 - 8,5-Schlussbenotung mehr als aufgefangen.

Fast schon gewohnt gut: Tim Price, hier mit dem Holsteiner Vitali aus der Zucht von Günther Fielmann

© FEI/Libby Law Photography

Hatten heute Probleme in den Schrittlektionen und den Galoppwechseln, sicherten aber dennoch die britische Teamführung ab: Die einzig verbliebenen Tryon 2018-Teamweltmeister Toledo de Kerser und Tom McEwen (12. mit 28,90 Punkten)

© FEI/Christophe Taniére

Im Vorfeld hoch gehandelt und immer noch einer der bestsitzenden Reiter: Andrew Hoy, der mit Vassily de Lassos für ein echtes Spitzenergebnis in zu vielen Lektionen immer mal wieder den einen oder anderen Punkt liegen ließ (13. mit 29,60 Punkten)                       

© FEI/Christophe Taniére

Die zehn führenden Paare -die sich auf acht Nationen verteilen- trennen aktuell knapp sieben Punkte, bei zehn Punkten Unterschied zu fischerChipmunk FRH / Michael steht in der Ergebnisliste bereits der 20. Platz. Im Teamwettbewerb haben die Briten (78,30) im Moment mit 2,10 Punkten eine Nasenlänge Vorsprung vor den Deutschen, die wiederrum sechs Punkte vor den Neuseeländern liegen. Bei der Aussagekraft dieser Zwischenergebnisse bleibt es aber aktuell noch bei der Meinung von gestern: Der neue Modus beschert ein extrem hohes Veränderungspotenzial. 

Sandra Auffarth hat ihre Einschätzung bereits geäußert: "Es ist ein interessanter Kurs, sehr fair gebaut, aber nichts irgendwie super Dramatisches. Aber trotzdem in der Häufigkeit viele Aufgaben, bei denen man konzentriert bleiben muss von Anfang bis Ende. Es kommt alles sehr schnell, weil wir viele Sprünge auf kurzer Strecke haben. Es ist wichtig, dass man von Anfang an in einen guten Rhythmus bekommt und diesen Rhythmus auch hält, damit das Pferd gut ins Atmen kommt und man den Fluss von Anfang bis Ende hält, dann ist man auch am schnellsten."

Die Zitate sind dem Live-Ticker der FN bzw. deren Pressemitteilung entnommen.





01.08.2021-KK Britischer Doppelsieg in Sicht

Julia Krajewski hält die schwarz-rot-goldene Flagge hoch

Ballaghmor Class und Oliver Townend haben sich ihre Dressurführung eindrucksvoll bereits als zweite Starter der Olympia-Vielseitigkeitsprüfung zurückerobert. Amande de b'Neville und Julia Krajewski haben mit einer Sekunde Zeitüberschreitung den zweiten Platz gerade noch vor London und Laura Collett absichern können. fischerChipmunk und Michael Jung rutschten wegen eines ausgelösten MIM-Systems auf den 10. Platz ab, trotz einer Verweigerung ging es für Viamant du Matz und Sandra Auffarth im Klassement sogar auf den 32. Rang hinauf. In der Teamwertung führen die Briten vor den Australiern und den Franzosen, die deutsche Mannschaft steht auf dem 6. Platz.


Derek die Grazia -der neben anderen Aufgaben seit zehn Jahren für den Geländeaufbau beim 5*-Klassiker in Lexington/Kentucky verantwortlich ist- hatte sich für die Olympischen Spiele einen 4.420 Meter-Kurs ausgedacht und 23 Hindernisse mit 36 Sprüngen auf die Strecke gesetzt. Im Mittelteil von Hindernis 9 bis zum letzten Wasser (20) erinnerte die Linienführung durch die vier fast parallel verlaufenden Abschnitte stark an die Europameisterschaft in Strzegom.


Die Prüfung starte unglücklich mit dem Sturz der ersten Reiterin bereits an Hindernis 5. Boleybawn Prince "verlor" nach dem Einsprung erst seine Beine und dann auch noch Arinadtha Chavantanont, die mit Wasser in den Stiefeln den Weg zurück antrat. Davon unbeeindruckt gingen Oliver Townend und Ballaghmor Class ihre Mission an. Mit der Erfahrung des gemeinsamen Burghley-Gewinns in 2017 und dem Rückenwind des zweiten *****-Sieges in Kentucky in diesem Frühjahr waren sie bei jeder einzelnen Aufgabe hochkonzentriert. Toll gerittene Linien und gute Distanzen waren via Bildschirm an der doppelten Wasserkombination 8 und 9 sowie rund um die Kombination 12ab am ersten Streckenwendepunkt zu sehen. Auch bei Hindernis 16, Tiefsprung - schmaler Steilsprung - Ecke, zeigte sich der gute Rhythmus, das passende Tempo und eine gute Kondition. Der letzte Sprung erschien etwas mühsamer, dennoch waren im Ziel sogar noch ein paar Sekunden über. Damit war die Duftmarke gesetzt: Die Briten hatten das erste Teamergebnis (23,60 Punkte) optimal in der Wertung und Michael Jung maximal drei Sekunden Zeitüberschreitung in der Hand.                

Wahrscheinlich war es das erste Mal, dass Julia Krajewski bereits um 8:27 Uhr in ein Championats-Cross gestartet ist. Auf jeden Fall waren sie und auch Amande de b'Neville hellwach. Die ersten drei Hindernisse nahm die Warendorf-Frankreich-Connection mit Weile, gut ging es über 4 -ein Haus als Vorbereitung für den ersten Wasserkomplex). Den Einsprung in den Teich gut getroffen und dann eine optimale Distanz zu 'B'. Im zweiten Wasser war eine kleine Korrektur der Linie notwendig, erfolgreich. Weiter ging es auf der Ideallinie über die nächsten Hindernisse. Auch das nächste nasse Element, der Libellenteich, sah spielerisch aus. Carsten Soestmeier am ZDF-Mikrofon lobte Julia als stünde ein Heiratsantrag bevor. Die Kombination 12ab wurde ob Mandys (so der Rufname von Amande de b'Neville) großem Galoppsprung etwas eng, an 14c touchierte sie mit der Hinterhand die rote Flagge. Danach schwenkte die Regie minutenlang auf den bulgarischen Teilnehmer, es gab keine neuen Infos. Auch der FN-Liveticker und die FEI-Ergebnisdienst blieben mitteilungslos. Irgendwann wurde der Fernsehsprecher nervös: "Wo ist Krajewski". Gefühlt dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis die Bilder vom letzten Sprung eingespielt wurden: Das Pferd mit gespitzten Ohren darüber und die lächelnde Reiterin, die im Ziel mehrmals die rechte Faust in den Morgenhimmel streckt - ganz so, als seien gerade mehrere Zentner Ballast von ihren Schulter abgefallen. Mit der einen Sekunde Zeitüberschreitung stehen nun 25,60 Punkte in der Ergebnisliste.

"Ich hatte heute Morgen ein gutes Gefühl. Auch das Gefühl, dass alles hinter mir steht und dass es jetzt läuft. Die Stute hat sich gut angefühlt. Ein kleines bisschen überrascht war sie von den Kameras. Ich glaube, wenn wir mehr Zuschauer haben, ist es einfacher in so einem Setting, weil die dann diese Kamera und die Bewegung nicht sehen. Aber ich bin immer wieder beeindruckt von dem Pferd, wie sie kämpft, wie sie alles für mich richtig machen will. Ich hatte nicht einen Moment den Eindruck, sie wackelt, zögert und überlegt", sagt Julia nach einer kurzen Verschnaufpause.

Danach flachte der Spannungsbogen -bezogen auf die Ergebnisse- etwas ab: Kein Einzelreiter schaffte es unter die besten fünfzehn Paare. London / Laura Collett setzten dieser Zeit ein Ende. Klar war, dass das holsteinisch-britische Paar bis auf den dritten Platz reiten konnte. Bereits vor der Startbox zeigte London allen, dass es nun endlich losgehen sollte. Dieses hohe Maß an Engagement führte zu einem unrhythmischen ersten Teil, aber das änderte sich bald. Mit der Sicherheit und Selbstbewusstsein aus dem gewonnenen 5*-Pau-Event im letzten Jahr absolvierten sie alle Aufgaben - soweit es zu sehen war. In der Sequenz der am Streckenrand mitfahrenden Kamera war deutlich zu erkennen, wie viele Meter der braune Wallach mit einem Galoppsprung 'wegräumt', manch anderer Vierbeiner wird dort deutlich öfter Bodenkontakt gehabt haben. Ganz locker galoppierten beide dem Ziel entgegen, auch die letzten Hindernisse waren lösbare Aufgaben und der Union Jack hatte die zweite Doppel-Null im Ziel.

Mit vollem Einsatz in Richtung Medaille unterwegs: Amande de b'Neville und Julia Krajewski

© FEI/Christophe Taniére


Maßarbeit auch mit langen Zügeln: Ballaghmor Class und Oliver Townend

© FEI/Libby Law Photography

Sie ließen keinen Meter liegen: London und Laura Collett

© FEI/Christophe Taniére


An Viamant du Matz und Sandra Auffarth lag es nun, den Kontakt zu den Briten zu halten. Mit gespitzten Ohren ging der französische Fuchswallach auf die Strecke und über die ersten Hindernisse. Für eine gute Distanz zum ersten Wasser musste Sandra etwas auf die Bremse gehen. Alles gut. Schnell geht es weiter auf die Schleife zum nächsten Feuchtkomplex. Über einen schrägen Baumstamm, der ähnlich in Luhmühlen steht und auf dem direkten Weg als 'A B' ausgeflaggt ist rein ins Wasser, fast 90° rechts herum, Hoch-Weit im Wasser, danach wieder fast 90 rechts - aber bitte etwas weiter der Bogen. Die Distanz zum Aussprung geht verloren, damit waren auch die Distanz und die Linie zum nächsten 'B' weg und Viamant du Matz an der Ecke vorbei. 20 Strafpunkte. Im Verlauf des Rittes machte sich Mat immer stärker, Sandra musste mit Hand- und Körpereinsatz dagegen halten, besonders vor dem Coffin. Bei der nächsten Bildeinspielung ging es schon mit gespitzten Ohren über den letzten Sprung und ins Ziel. Trotz des Stopps zeigte die Uhr lediglich sechs Sekunden Zeitüberschreitung an: 56,50 Punkte.                             

"Das war natürlich super schade mit dem Vorbeiläufer", sagt Sandra Auffarth. "Gefühlt kam der auch sehr schnell, gleich zu Beginn. Ich war kaum unterwegs, da war das schon passiert. Ich habe ja schon vorher gesagt, dass ihm [Viamant du Matz] der Kurs liegt und dass er ein super wendiges Pferd ist. Aber dass er so schnell in die Wendung reinkommen würde, damit hätte ich auch nicht gerechnet. Ich kam auf ein oder sogar zwei Galoppsprünge weniger aus dem Wasser raus, wie ich eigentlich geplant hatte, dadurch kam ich sehr auf die Innenbahn zu der Ecke hin, so dass er am Ende die Aufgabe nicht so richtig erkannt hat. Er ist ein Pferd, der alles richtig machen will, aber in dem Moment kam ich zu schräg, dass er nicht wusste, was er machen sollte. Ich habe versucht, sofort zu reagieren. Ich habe gedacht, es kommt jetzt auch jede Sekunde an, und habe die Ecke dann nochmal angeritten, aus einem bessern Winkel, anstelle die längere Alternative zu reiten. Er ist ein unglaubliches Geländepferd, er war super frisch im ganzen Kurs. Er will am Ende alles richtig machen und ich kann ihm nicht böse dafür sein." 

Von der Dramaturgie war es optimal vorbereitet: fischerChipmunk FRH und Michael Jung konnten als vorletzte Starter und Führende nach der Dressur das gesamte Feld von hinten aufrollen. Nach vier guten Sprüngen gab es im ersten Wasser einen kleinen Stolperer, aber blitzschnell hatte Michael die Zügel wieder sortiert und problemlos ging es über das B-Element, den braun-weißen Fisch in der Mitte des Teichs. Bei den Libellen (11) war der direkte Weg der Plan. Alles gut, aber auf dem Bildschirm erschienen schon wieder andere Teilnehmer. Dann tauchte ganz plötzlich und vollkommen unerwartet der Hinweis über die 11 Strafpunkte an 14c auf. Das hatte etwas von einem kleinen Schock. Schon in Luhmühlen hatte Michael den 5*-Sieg durch ein ausgelöstes Sicherheitssystem verloren, hier scheinbar nun auch. Alles, was danach gezeigt wurde, kam dem Optimum schon sehr nahe, die Zeit war trotz der hohen Luftfeuchtigkeit und der mittlerweile deutlich gestiegenen Temperaturen überhaupt kein Thema. Mit 32,10 Punkten ist es nun der zehnte Platz.

"Zuerst mal bin ich sehr zufrieden über Chipmunk. Ich bin glücklich, wie er gegangen ist. Er ist super vorbereitet gewesen, ist toll galoppiert, er war richtig fit, er hat sich überall gut angefühlt. Es hat sich alles relativ einfach mit ihm angefühlt", sagt Michael Jung, aber natürlich sei er auch enttäuscht. "Ich bin erst den Oxer gesprungen und habe danach die Ecke ein bisschen berührt, aber lange nicht so, dass ich damit gerechnet hätte, dass sie runterfällt. Erst als ich schon weitergeritten war, hörte ich hinter mir einen Knall", sagt er.

Galoppstudie: fischerChipmunk FRH und Michael Jung

© FEI/Christophe Taniére

Wahrscheinlich hatten alle Briten dieselbe Uhr: Auch Toledo de Kerser und Tom McEwen kommen Doppel-Null ins Ziel

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Sie hatten im Cross einen langen Stopp und waren pünktlich im Ziel: Vassily de Lassos und Andrew Hoy galoppieren auf den 7. Platz und halten mit dem Team aktuell den Silberplatz

© FEI/Christophe Taniére


"Alle waren toll vorbereitet. Julia vorneweg hat als Pathfinder eine tolle Runde gedreht. Sandras Pferd war ein bisschen stark, sprang leider etwas zu früh und zu groß aus dem Wasser und bekam die Linie zur Ecke nicht mehr“, zog Bundestrainer Hans Melzer ein erstes Fazit. Zu Michael Jung sagt er: „Das ist natürlich schon enttäuschend, wenn man so dicht dran ist, nach so einer tollen Dressur ganz vorne ist. Der Rest war auch gut, da fehlte vielleicht auch das letzte Quäntchen Glück."

So gut die Datenversorgung des Veranstalters bzw. der FEI bei der Dressur war, so mäßig fiel die Unterstützung heute aus. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Fence-Report, der teilweise auf den mitgeschriebenen Fakten basiert.

60 Starter sind heute über die Sea Forest-Halbinsel galoppiert. Sara Algotsson-Ostholt sollte für Ludwig Svennerstal einspringen und wäre die 61. gewesen. Da ihr Ergebnis lediglich in die Teamwertung eingeflossen wäre war der Start nach dem Sturz von Viscera / Therese Viklund obsolet und Chicuelo hatte einen freien Tag. Etwas mehr als die Hälfte der Starter (32) kamen ohne Hindernisfehler ins Ziel, zehn davon pünktlich und zwei weitere mit lediglich 11 Strafpunkten. Achtmal löste da MIM-System aus, mit einer Ausnahme war es immer an 14c, der Ecke nach einem sehr luftigen Oxer ('A B' ausgeflaggt) als Einsprung in die Kombination. Drei Reiter kamen vorzeitig aus dem Sattel, ein Pferd hatte mit mehr als den Hufen Wasserkontakt - soweit es zu sehen war, ist alles glimpflich abgelaufen. Eine längere Pause gab es um die Aufgabe von Robin Godel, allerdings kam kein Statement vom Veranstalter. Insgesamt 18 Stopps verteilen sich auf zehn (eventuell elf) verschiedene Sprünge und dreizehn ReiterInnen. Das Libellenwasser (11), das Coffin (18) und der letzte Teich (20) tragen für je drei Verweigerungen bzw. Vorbeiläufer die Verantwortung.

Eine Stütze des französischen Teams: Totem de Bercey und Christopher Six überraschen mit dem 8. Rang (3. mit dem Team)

© FEI/Christophe Taniére

Drei Sekunden trennen sie von Bronze: Vitali und Tim Price - mit etwas Glück könnte es sogar noch Doppel-Bronze werden

© FEI/Libby Law Photography

Im Wettbewerb sind noch 48 Paare (80% der Geländestarter), die in der gesamten Tiefe 99,70 Punkte auseinanderliegen. Oliver Townend könnte sich im Parcours zwei Zeitstrafpunkte leisten und hätte immer noch seinen ersten großen Einzeltitel gewonnen, mit einem Klotz könnte es der fünfte Platz werden. Zwischen Julia Krajewski und Laura Collett passt kein Blatt. Abhängig von der Einstellung der Uhr könnte eine Hundertstelsekunde den Ausschlag geben. Gesunde Pferde und Reiter unterstellt, dürften die Briten den Franzosen als Mannschafts-Olympiasieger folgen. Auf der Insel wird man von "four rails in hand" sprechen. Australien und Frankreich trennt weniger als eine gefallene Stange. Neuseeland und die USA benötigen schon eine Menge eigenen Glückes und eine gehörige Portion Pech der Konkurrenten für eine Medaille - und Deutschland noch einmal "zwei Holz" mehr.

Die Zitate sind auch heute wieder dem Live-Ticker der FN bzw. deren Pressemitteilung entnommen.

Und hier alle Geländehindernisse mit einer ausführlichen Beschreibung (englischer Text):



02.08.2021-KK Team Gold an Großbritannien,

Silber sichern sich die Australier, Bronze geht an die Franzosen  - 

Amande de b'Neville und Julia Krajewski übernehmen die Einzel-Führung

Die zweifache Kombination hat es ausgemacht: Der Fehler am Einsprung kostete Ballaghmor Class und Oliver Townend die Führung in der Einzelkonkurrenz, hinter dem fehlerfreien Aussprung hätte nur noch ein Sturz oder eine Verweigerung die britische Mannschaftsgoldmedaille verhindern können. Die Dominanz der Reiter mit dem Union Jack wird im Einzelklassement deutlich: 2, 3 und 5. Das deutsche Team rehabilitiert sich für den unglücklichen Geländetag mit drei fehlerfreien Ritten und sichert sich den 4. Platz.

Viamant du Matz und Sandra Auffarth vollbrachten einen tollen Auftakt für das heimische Team. Frisch und mit viel Luft überwanden die zwei die ersten Hindernisse, fanden eine gute Distanz zur dreifachen Kombination (5a-c), auch danach ging es sicher weiter. Der Fuchs ließ sich im Vergleich zu gestern deutlich besser handeln. Am Aussprung der zweifachen Kombination gab es einen leichten Holzkontakt, aber alles blieb liegen und auch die letzten drei Sprünge klappten vorzüglich. Im Ziel waren noch sieben Sekunden Restzeit: Der erste Doppelnuller für die Mannschaft.

Vor dem Start zeigten fischerChipmunk FRH und Michael Jung noch einen dressurmäßigen fliegenden Wechsel. Im Rechtsgalopp auf den blau-weißen Steilsprung (1) - mit viel Luft. So auch über 2 bis 4, ebenfalls eine gute 7-er Distanz auf die erste Kombination. 6 und 7 ebenfalls gut, mit Weile über den dunklen Oxer (8) und mit einer leichten Rechtswendung auf die gelb-rote zweifache Kombination. Im Ziel war das Zeitpolster bis auf gut 1 ½ Sekunden aufgebraucht. Der zweite Doppelnuller.

Mit London und Laura Collett wurde es spannend für die Einzelwertung. Einige Minuten vorher waren bereits Toledo de Kerser und Tom McEwen fehlerfrei nach Hause geritten. Sicher und mit viel Luft starteten London und Laura über die ersten drei Hindernisse. Aus einer Linkswendung war die Folge 4 und 5a-c zu reiten. Es sah so aus, als wolle London lieber ohne den überbauten Wassergraben durch den Parcours kommen. Nur mit Druck und reiterlichem Geschick konnte der Stopp verhindert werden, aber London fußte in den Oxer und wickelte sich fast die Stangen um die Beine. Bei der Kombination war alles wieder sortiert und so blieb es bis zum Ende des Parcours.

In der letzten Runde der Mannschaftsreiter gingen Amande de b'Neville und Julia Krajewski für Deutschland und vor allem für sich selber an den Start. Gut über 1, an zwei, dem Oxer mit den Teedosen wurde es etwas dicht, souverän über 3 und mit viel Luft über den Wasseroxer, eine optimale Linie und Distanz zur weißen dreifachen Kombination: Klasse gemacht von beiden, 6 und 7 auch gut, hoch über 8, dann ein ganz leichter Kontakt am Einsprung der zweiten Kombination - aber da gut herausgekommen und ganz locker und luftig über die letzten drei Sprünge. Die Zeit passt, der dritte Doppelnuller und bis heute Abend mindestens der zweite Platz in der Einzelkonkurrenz.

Vitali und Tim Price sorgten mit ihren Fehlern dafür, dass Team-D auf den vierten Platz vorrückte - nachdem vorher schon die USA-Reiter überholt wurden.

Danach ging es direkt um die Medaillenränge. Totem de Brecey und Christopher Six, die erst als Nachrücker ins Team der Franzosen gerutscht sind, hatten lediglich an der zweifachen Kombination eine leichte Stangenberührung, alles blieb liegen und mit dem Zieldurchritt war für die Rio-Olympiasieger die Bronzemedaille sicher.

Vassily de Lassos und Andrew Hoy zeigten sehr eindrucksvoll, wie gut und sicher geritten wird. Da war wirklich alles problemlos und immer sehr gut anzuschauen. Das war die Silbermedaille für das australische Team und für ihn das fünfte Olympia-Edelmetall.

Ballaghmor Class und Oliver Townend war der letzte Ritt vorbehalten. Vier Abwürfe hätten sich die Kentucky-Gewinner leisten können und die Briten wären immer noch Olympiasieger. Abgeklärt und selbstsicher der Auftritt, gut über die ersten beiden Aufgaben, ruhig und überlegen zu drei, dann eine optimale Linie 4 - 5a-c. Auch 6, die Mauer bei 7 und 8 sehr gut. Bei 9a passierte es dann: Die Stange fiel in den hellen Sandboden - keine Gefahr für das britische Edelmetall, aber Amande und Julia übernahmen die Führung im Einzelwettbewerb. Die übrigen Aufgaben meisterten beide dann wieder mit der gewohnten Souveränität.

Großbritannien Gold, Australien Silber, Frankreich Bronze.

 

Julia Krajewski äußerte sich nach dem Springen: „Da habe ich jetzt nicht mitgerechnet“, antwortet Julia Krajewski auf die Frage, wie sie es findet, dass sie gleich als letzte Starterin in den Parcours muss. „Aber das soll jetzt nicht blöd klingen, aber ich bin ja auch schon öfter mal als Letzte ins Springen geritten und ganz ehrlich, wenn ich Vorletzter oder Drittletzter wäre, wäre das Gefühl auch nicht anders, denn wenn es um eine Medaille geht, ist es einfach was total Besonderes. Am liebsten würde ich jetzt direkt reiten, denn man ist noch so gut im 'Flow' und meine Stute ist eben super gesprungen. Ich freue mich drauf, ich finde das richtig cool unter Flutlicht zu reiten, wir haben das zuhause einmal geübt, das hat richtig Spaß gemacht. Und ein Stück weit will ich es auch genießen. Wie oft reitet man schon in so einem Stadion unter Flutlicht? Und wie sagt man so schön: Die Pflicht ist geschafft und gleich kommt die Kür." 

Bundestrainer Hans Melzer bewertet die Ausgangslage vor dem zweiten Parcours: "Das Pferd von Julia ist in einer tollen Form, sie ist sehr selbstbewusst geritten, sie hat sich das auch verdient. Jetzt müssen sie noch eine Runde reiten, möglichst genauso, dann haben wir noch einen ganz tollen Erfolg." Um ihre Nerven macht sich der Bundestrainer keine Sorgen: "Sie hat Saumur gewonnen, da ging es um einen einzigen Zeitfehler. Das hat sie mit ihrem Dressurergebnis beendet. Sie kann Null reiten, sie weiß wie gut ihr Pferd ist. Sie hat jetzt den Tunnelblick und ist cool genug. Die hat ein Pferd, das sehr gut springt, da braucht sie sich nicht allzu viele Gedanken machen, da kann man mal einen Galoppsprung mehr oder weniger reiten. Ich bin da ganz zuversichtlich."

Auch Michael Jung (aktuell 8.) räumt er noch eine kleine Chance ein: "Das müssen wir mal sehen, er ritt ja eine Traumrunde, Chipmunk sprang vom Feinsten. So sicher. Wir kennen das ja vom Springen, erst wenn der letzte durchs Ziel geritten ist, ist die Entscheidung gefallen.

Michaels Aussage zu seiner Leistung: "Wir sind noch nicht am Ziel, wir müssen jetzt konzentriert bleiben. Es ist wichtig, dass wir jetzt nicht in ein kleines Loch fallen. Aber ich bin richtig happy. Chipmunk ist gut drauf, er ist toll gegangen und hat richtig gut zugehört. Er hat sich vom Feinsten reiten lassen, ist toll gesprungen, alles so wie ich es mir gewünscht habe. Ich bin jetzt erstmal richtig glücklich."

Viamant du Matz und Sandra Auffahrt beenden die Tokio-Reise auf dem 31. Platz, da im späteren Finale lediglich die besten 25 Paare eine Startberechtigung erhalten.

Zum Abschneiden der Mannschaft sagt Melzer: „Ja, das war Schadensbegrenzung, wir sind Vierter geworden. Da können wir auch mit zufrieden sein, wir haben uns im Springen wieder etwas nach vorne geritten."


02.08.2021-KK Julia Krajewski  -  TomMcEwen  -  Andrew Hoy

Es WAR eine der letzten Männer-Domänen: Als erste Frau in der Geschichte der olympischen Vielseitigkeitsreiterei sichert sich Julia Krajewski mit ihrer französischen Stute Amande de b'Neville das güldene Edelmetall. Tom McEwen / Toledo de Kerser versilbern den Mannschaftssieg und Andrew Hoy / Vassily de Lassos gelingt mit nur einer von insgesamt zwei fehlerfreien Runden noch der Sprung auf das Bronze-Podest.

Die 25 besten Paare nach der Dressur, dem Geländeritt und dem ersten Parcours stellten sich dem zweiten Springen, einer Runde mit leicht erhöhten Hindernissen, die in ihrer Anzahl aber auf 9 (mit zwölf Sprüngen) zurückgenommen wurde. 

Als 18. Starter waren fischerChipmunk FRH und Michael Jung an der Reihe. Vor ihm hatten lediglich Absolut Gold / Nicolas Touzaint alle Stangen liegengelassen und die Uhr rechtzeitig gestoppt. Das deutsche Paar meisterte alle Aufgaben sehr souverän, auch die auf Oxer-Steil-Oxer umgebaute dreifache Kombination (5a-c). Danach legte er im Tempo zu, alles kein Problem für Chipmunk. Die zweifache und die letzten beiden Sprünge liegen noch vor einem versöhnlichen Olympia-Abschluss und einem kleinen Funken Hoffnung auf Edelmetall. In dem flotten Tempo ging's in die Kombination - beim Aussprung klappert es und die Stange fällt. Danach ging es sehr sicher bis ins Ziel. Am Ende des Tages sollte es der 8. Rang werden - und die Gewissheit, nach den 5* von Luhmühlen bereits den zweiten Sieg binnen weniger Wochen durch ein ausgelöstes Sicherheitssystem verloren zu haben. 

Unmittelbar nach ihm machten es Vinci de la Vigne / Kazuma Tomoto einen Tick besser: Fehlerfrei über die Hindernisse und lediglich eine angefangene Sekunde oberhalb der Bestzeit bringen den 4. Platz - das Ergebnis, das beide schon mit dem japanischen Team bei der letzten Weltmeisterschaft in Tryon erreichten. Für Totem de Bercey / Christopher Six bleibt es nach einem Springfehler bei der Mannschaftsbronzemedaille und dem 7. Platz in der Einzelwertung. An London / Laura Collett war es, den Druck auf die ersten vier Paare zu erhöhen und sich selber in eine Lauerstellung für die Medaillenvergabe zu bringen. Aber da war irgendetwas mit der Zündschnur: Zwei Springfehler bringen die Pau 5*-Sieger des letzten Herbstes auf den 9. Platz hinter Michael Jung. 

Mit der Erfahrung von sieben Olympischen Spielen ritt Andrew Hoy Vassily des Lassos in das Stadion. Mit stoischer Ruhe absolvieren sie die letzten Momente der Vorbereitung. Genau so ruhig ging es auf die viertletzte Runde des heutigen Tages. Um es kurz zu fassen: Es wurde eine Demonstration von gutem Parcoursreiten, vielleicht sogar der schönste Ritt des ganzen Tages. Dem Fernsehreporter misslang, Andrew zu einem höheren Tempo zu bewegen, um Zeitfehler zu vermeiden. Noch vor der letzten Kombination erneuerte er seinen Aufruf, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Im Ziel waren Andrew noch etwa eine halbe Sekunde von Strafpunkten entfernt. Maßarbeit. 

Damit war die Aufgabe klar für Toledo de Kerser und Tom McEwen: Null Fehler mussten schon her, da er mit einem Abwurf auf den dritten Platz abrutschen würde - bei zwei noch ausstehenden Konkurrenten. Doch der jüngste Reiter dieser Spitzengruppe trat auf wie ein alter Hase und Toledo de Kerser gab sich keine Blöße. Überall sprang er mit Weile über die Steilsprünge und die Oxer, ging sicher durch beide Kombinationen. Zum Ende hin kassierte er 0,40 Strafpunkte für die knappe Zeitüberschreitung - aber die Bronzemedaille war ihm sicher. 

Ballaghmor Class und Oliver Townend hatten sich die Führung, die sie nach dem ersten Dressurtag inne hatten, im Gelände zurückerobert, ein Abwurf im Team-Springen brachte sie wieder auf den zweiten Platz und damit in die vorletzte Startposition. Die Ausgangslage war noch klarer geworden: Mit einem Fehler würde er hinter Andrew Hoy zurückrutschen und könnte bestenfalls Bronze gewinnen, käme noch eine Sekunde Zeitüberschreitung hinzu, müsste er auch Kazuma Tomoto passieren lassen. Bereits am zweiten Sprung fehlte die Luft zwischen der Stange und den Vorderbeinen: Vier Fehlerpunkte im Ergebnisprotokoll zuzüglich 0,80 Punkten für die Zeit. 5. Platz.


Dieses Bild spricht für sich…

© FEI/Christophe Taniére

Da war es nur noch eine: Julia Krajewski, die im Vorfeld von ihrem "Springpony" Amande de b'Neville nur positiv gesprochen hatte. Selbst bei einem vollbesetzten Stadion wäre es spätestens jetzt mucksmäuschenstill geworden. Alles oder nichts, Sekt oder Selters. Neun Sekunden Zeitüberschreitung wären für Gold OK, ein Springfehler hätte Bronze bedeutet, da Andrew Hoy das bessere Geländeergebnis hatte.

Ungeachtet dieser Zahlenspielereien ließ Julia ihre Mandy -wie sie im Stall genannt wird- angaloppieren. Sicher und mit Weile geht es über die ersten vier Sprünge, jetzt die dreifache Kombination. Gut hineingekommen, und super wieder heraus. Beide fliegen quasi über den nächsten Steilsprung, ein paar Meter geradeaus, dann rechts auf den nächsten Doppelsprung. Als wäre der Parcours extra für dieses Paar gebaut worden, so leicht sieht es für den Zuschauer aus. Wieder rechts, sieben Galoppsprünge zum türkisen Oxer, die letzte fünfer Distanz gerade auf den mit der gelben Planke überbauten Wassergraben, alles meisterlich. Die klitzekleine Zeitüberschreitung ist Makulatur: Amande de b'Neville und Julia Krajewski gewinnen die Tokio-Goldmedaille der Vielseitigkeitsreiter.                                                                                      

Julia brachte es später am Nachmittag auf den Punkt: "Für mich war sie immer schon ein Superstar und jetzt ist sie mein Olympiasiegerpferd."

Michel Jung hatte etwas mehr Zeit für die erste Analyse: „Das Ziel war null und schnell zu sein, ich hatte nur die eine Chance, die anderen ein bisschen unter Druck zu setzen, das ist jetzt nicht ganz aufgegangen, das ist natürlich ärgerlich, ich weiß jetzt nicht, was das ohne den Fehler gegeben hätte. Aber wir haben eine deutsche Siegerin, da können wir überglücklich sein. Durch die knappe Zeit musste man sehr vorwärts reiten, das wurde mir dann auch zum Verhängnis in der Kombination. So ist der Sport. Bilanz: Das war alles nicht so ideal. Alles nicht nach Plan. Chipmunk ist ein tolles Pferd, er hat alles richtig gemacht die ganzen Tage. Das nötige Glück braucht man eben auch. Die letzten Male hatte ich das, jetzt hat es jemand anderes gehabt. Jetzt bin ich natürlich enttäuscht, aber wir kämpfen weiter. Es ist jetzt so wie es ist. Julia hat zwei klasse Runden gehabt, war gestern auch schon toll im Gelände. Das war bilderbuchmäßig. Auch hier die letzte Runde unter Zeitdruck nochmal hat sie das Pferd richtig galoppieren lassen. Das hat sie wunderbar gemacht. Ein verdienter Sieg auf jeden Fall!"

 freut sich für Julia Krajewski: "Das Pferd [Amande de B'Neville] ist einfach gigantisch, hat unheimlich Springvermögen, es ist ja auch entdeckt worden bei einem Springpferdechampionat in Frankreich, nicht bei einem Vielseitigkeitspferdechampionat. Julia hat heute zwei tolle Runden geritten. Sie hat es verdient zu gewinnen. Sie war in allen drei Teildisziplinen überragend, hat heute auch zwei fehlerfreie Runden geritten. Mehr geht nicht. Ich habe das vor zwei Jahren zu ihr gesagt. Eines Tages stehst du ganz da oben, dann ist alles, was in der Vergangenheit mal nicht so funktioniert hat, vergessen. Für sie ist das heute was ganz Besonderes und auch eine Bestätigung, wie gut sie ist."


05.08.2021-KK Das war sie, die Olympia-Vielseitigkeitsprüfung 2020 in 2021

Zahlen - Daten - Fakten - Meinung

Aber vorher Rückblick in die vergangenen Jahre zweier Siegerinnen:

Das war wohl so etwas wie die Championats-Masterarbeit und könnte gleichzeitig der Start zu weiteren Höhepunkten sein: Amande de b'Neville und Julia Krajewski haben ihre über fünfjährige gemeinsame Ausbildung und Aufbauarbeit mit der Goldmedaille in der Einzelwertung gekrönt.

Amande, die Julia als Springpferd bei Myriam Meylemans (aus deren Stall auch Samourai du Thot stammt) in Belgien entdeckt hat, gewann im März 2016 ihre erste A-Geländepferdprüfung. Rund dreieinhalb Monate später war der erste L-Sieg fällig, weitere drei Wochen später wurde der bunten französischen Oscar de la Fontaine-Tochter in Hünxe die erste internationale Schleife (CIC*) angeheftet - das dosierte Cross-Tempo war dafür verantwortlich, dass es kein Sieg wurde. Mittlerweile verzeichnet die FEI 17 gewonnene Prüfungen und Top-10 Platzierungen bei 26 Starts.

Ehre, wem Ehre gebührt: Julia Krajewski bedankt sich bei Amande de b'Neville / © FEI/Kai Försterling

Das notwendige Qualifikationsergebnis für die Olympia-Teilnahme hätte das jetzige Goldpaar fast schon 2018 in Boekelo erlangt: Nach einer 28-er Dressur und lediglich einer Sekunde Zeitüberschreitung im Gelände hat Julia die damals 8-jährige Stute -von der sie selber sagt: "Sie hat einfach ein paar PS mehr als andere Pferde"- vor dem Parcoursspringen zurückgezogen, da sich 'Mandy - so der Rufname' unwohl gefühlt hatte. Gleichwohl konnte sie die Prüfung gewinnen: Samourai du Thot brachte sein Dressurergebnis ins Ziel und stand in der Siegerehrung direkt vor London / Laura Collett, die aus Tokio Mannschaftsgold mit nach England genommen haben (9. in der Einzelwertung). Im ersten Halbjahr 2019 folgten drei Kurzprüfungen, anschließend fast ein Jahr Pause und danach wieder drei Kurzprüfungen. Beim Saisonabschluss in Strzegom (CCI-4*-L) wurde das Qualifikationsergebnis wegen 20 Gelände-Strafpunkten erneut verpasst.

Entgegen der generellen Vorgabe fuhren Amande und Julia in diesem Frühjahr nach Saumur statt nach Marbach, da in Frankreich eine lange Prüfung angeboten wurde - die fast letzte Chance für die grundsätzliche Olympia-Startberechtigung. Die Dressurführung war gleichzeitig das Endergebnis - und der Bundestrainer hatte ein weiteres Paar auf der Tokio-Liste. Ein Springfehler in der letzten Vorbereitungsprüfung (Luhmühlen 4*-S) verhinderte den zweiten Platz hinter fischerChipmunk FRH / Michael Jung.

Julia Krajewski hat einen sehr klassischen Ausbildungsweg hinter sich und bereits 2001 den ersten Paukenschlag geliefert: Doppel-Europameisterin der Pony-Vielseitigkeitsreiter mit dem erst 7-jährigen Cyrano, ein Jahr später wurde es Team-Gold und Einzelsilber. Ab 2003 war Cyrano das Lehrpony für Felix Vogg, später für Felix Etzel und Hanna-Lea Kehrer.

In 2004 erfolgte der erste CIC-Pferde-Start - mit einem Sieg auf Leading Edge. Über die Jahre sammelte Julia mehrere Medaillen (Mannschaft und Einzel) auf den kontinentalen Championaten, in 2008 gab es die Schärpe für die Deutsche Meisterin der Jungen Reiter. Bei der Heim-EM in Luhmühlen 2011 hatte die junge Luftwaffensoldatin (Julia war drei Jahre Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr) mit den schwarz-rot-goldenen Fingernägeln den ersten Einsatz (mit After the Battle) bei einem Senioren-Championat, zwei Jahre später kam an selber Stelle der Sprung in die 4*-(heute 5*-)Klasse.                                          

Direkt nach dem Abitur in 2007 folgte der Ruf in die Warendorfer Perspektivgruppe und die Ausbildung zur Pferdewirtin / Reiten mit dem Abschluss als Jahrgangsbeste. An der Trainerakademie des DOSB in Köln schloss sie Ende 2015 ein Studium zur Diplom-Trainerin ab und folgte in 2017 Rüdiger Schwarz als Bundestrainerin der Junioren.

Für die Reiterin Julia Krajewski sollte 2016 ein ganz besonderes Jahr werden. Im Frühsommer gab es mit Samourai du Thot in Luhmühlen die erste Platzierung (3.) in der Königsklasse der Eventer. Zu den Olympischen Spiele in Rio de Janeiro flogen beide als Ersatzpaar und wurden vor Ort für So is et / Andreas Ostholt sehr kurzfristig ins Team berufen. Nach einer Dressurbenotung im ersten Viertel, stellte Samourai du Thot im Gelände plötzlich die Zusammenarbeit ein. Die 1.000 Punkte wurden das Streichergebnis und mit einer Silbermedaille im Gepäck ging es zurück nach Warendorf.

Im darauffolgenden Jahr rehabilitierte sich 'Sam' mit dem 4*-Sieg in Luhmühlen, um zwei Monate später den nächsten Tiefschlag zu bekommen: Für die Europameisterschaft in Strzegom wurden beide ins Team berufen und errangen (nach einer Verweigerung im Cross)  mit der Mannschaft die Silbermedaille - um später wegen eines letztendlich unaufgeklärten Dopingvergehens disqualifiziert und gesperrt zu werden. Das Team verlor den zweiten Platz.

Parallel hatte Julia über die Jahre einen gewissen Chipmunk (heute: fischerChipmunk FRH) erfolgreich ausgebildet. In Aachen trat sie 2018 mit beiden Pferden an und erlebte eine weitere Achterbahnfahrt. Zunächst galoppierte sie für die Mannschaft mit 'Sam' durch die Soers - bis zu einem schmalen Trapez, an dem er wieder mal den Dienst quittierte. Nur eine kurze Pause war ihr vergönnt, dann hieß es, ab in den Sattel von Chipmunk, mit dem sie sich für einen Sieg siebzehn Zusatzsekunden leisten konnte. Hier die Zeilen aus der Eventing-Inside-Aachen-2018-Berichterstattung:

 

Sie schafft es - sie schafft es nicht. Die Einschätzung wechselte im Takt der ablaufenden Uhr. Unter tosendem Applaus ritt das Paar ins Stadion. Den Früchteoxer mit viel Elan überwunden. Da könnte noch was gehen. Vorm Wasser kurz aufgenommen. War es jetzt genau diese Parade, die am Ende fehlen sollte? Gut ins Nass, noch neun Sekunden vor der Bestzeit. Und wieder heraus Richtung Heckenkombination. Just über dem mittleren Element springt die Uhr um von grün auf rot, von den verbleibenden lediglich 17 Sekunden ist die erste verbraucht, die Anzeigetafel zeigt ganz nüchtern die sich addierenden Strafpunkte. Über "C". Jetzt noch eine Wendung und zum Abschluss das DHL-Haus. Problemlos. Fünfzehn, sechzehn - die Uhr stoppt. Das Publikum tobt, Standing Ovations begleiten Julia und Chipmunk aus der Arena heraus. Ihr erster Sieg in Aachen. Gratulation.

 

 

Im September flogen Julia, Chipmunk und die anderen deutschen Vielseitigkeitsasse zu den WEG in die USA. In den Baustellen des Tryon-Reitsportzentrums starten sie nach einer fabelhaften Dressur (19,90 Punkte ohne eine einzige 10) als führendes Paar ins Gelände. Bis Hindernis 13 sah alles sehr souverän aus - um dann an 14c einen Vorbeiläufer zu kassieren. Nach der Saison wechselte Chipmunk in den Beritt von Michael Jung, der die Ausbildungsarbeit von Julia ausdrücklich gelobt hat: "Ich habe noch nie ein so gut gerittenes Pferd übernommen."

Damit war Samourai du Thot wieder die Nummer Eins im Stall. Nach zwei Siegen in Aufbauprüfungen wurde das CCI-4*-S in Chatsworth (GBR) gewonnen und im Juni in Luhmühlen der deutsche Meistertitel verteidigt. Nach dem Strzegom-CCI-4*-L-Sieg im Herbst 2020 musste 'Sam' auf Grund einer Augeninfektion aus dem Sport verabschiedet werden.

Unterwegs zu Gold…               

© FEI/Kai Försterling

Amande de b'Neville, die ihr und Prof. Dr. Bernd Heicke gehört, rückte auf die Pole Position im Warendorfer Stall - mit dem oben beschriebenen Werdegang. In 2024 finden die nächsten Olympischen Spiele in Paris statt. Amande ist dann immer noch im besten Alter und Julia hat mit Icytonic (gehört ihr und ihrer Freundin Friederike Plagmann) und Chintonic (einem fischerChipmunk FRH-Vollbruder, der in ihrem Besitz ist) zwei hoffnungsvolle 6-jährige Nachwuchspferde, die sie bereits in kleineren internationalen Prüfungen erfolgreich eingesetzt hat. Bis dahin aber erst einmal Hals- und Beinbruch - und einen Gin Tonic auf die Goldmedaille.

Bei Amande und Julia hatten die Verantwortlichen in Tokio nur eine leichte Rechenaufgabe zu lösen: Jeweils 0,40 Punkte waren aus dem Gelände und dem 2. Springen zur Dressurbewertung zu addieren, bei Absolut Gold / Nicolas Touzaint (FRA - 6. Platz, 33,10 Punkte) waren es je 0,40 Punkte im Cross und im 1. Springen. Besser in den letzten beiden Teilprüfungen waren lediglich Toledo de Kerser / Tom McEwen (GBR - 2. mit 29,30), die nur im Gelände eine Sekunde zusätzlich unterwegs waren und Vassily de Lassos / Andrew Hoy (AUS - 3. mit 29,60), die als einziges der 63 angetretenen Paare das Dressurergebnis ins Ziel des Einzelwettbewerbes brachten.            

Jener Andrew Hoy, der älteste Teilnehmer im Feld (Lea Siegl aus Österreich -die jüngste Reiterin- wurde mit DSP Fighting Line 15.), ist nach seinen 8. Olympischen Spielen bezogen auf die Anzahl der errittenen Medaillen (6) zusammen mit Mark Todd (NZL) und J. Michael Plumb (USA) nun der erfolgreichste Eventer der Geschichte. Als einziger aus diesem Trio hat er drei Goldmedaillen gewonnen. Im Ranking der gewonnen Titel führt weiterhin Charles Pahud de Mortanges (NED), der zwischen 1924 und 1932 drei Einzel- und einen Mannschaftssiege feiern konnte.

Gestartet sind letztendlich 10 ReiterInnen aus den Top-20 der Weltrangliste: Alle waren in der 2. Springrunde vertreten; 22 von 25 Startern sind in den Top-100, darunter Julia = 48 und Andrew = 49; von den anderen dreien haben sowohl Susanna Bordone (ITA - 104) als auch Austin O'Connor (IRL - 230) bereits Olympia- und 5*-Erfahrung, wenn man von einer Überraschung sprechen will, dann bei Melody Johner (SUI - 170. - 17.). Von den acht ReiterInnen, die in der Weltrangliste auf Plätzen jenseits der 400 geführt werden, hatten vier einen Sturz oder ein ausgelöstes Sicherheitssystem; die Dressurnoten zeigen nirgendwo eine Häufung von Sturz / BD. Sehr wohl aber ist eine Tendenz bei den Verweigerungen zu beobachten: Bei den Top-15 nach der Dressur ist ein einziger Stopp verzeichnet, bei den Last-15 sind es 11. Die eine Hälfte der Verweigerungen passierte in den ersten beiden Dritteln des Kurses, die andere Hälfte ab Hindernis 16.

Apropos Sicherheitssystem: Insgesamt 8 Mal wurden den Reitern 11 Punkte auf das Konto gebucht (7 x an 14c, 1 x an 18c). Die Systeme sind gut und wichtig - auch wenn es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Soweit es am Bildschirm zu sehen war, rettete das MIM mindestens Cato / Louise Romeike vor einem bösen Sturz. Auf der anderen Seite ist eine Diskussion um solche Situationen wie bei fischerChipmunk FRH / Michael Jung notwendig. Die Systeme sollen schwere Stürze, vor allem die mit einer Rotation des Pferdes, vermeiden. Einen Geländekurs mit abwerfbaren Hindernissen lehnen -soweit es recherchierbar war- die meisten Beteiligten ab. Wird also die Mechanik am Sprung erst dann auslöst, wenn Pferd und Reiter schon einige Galoppsprünge hinter dem Hindernis sind, steckt dort ein Fehler der den Wettbewerb verzerrt. Da es aktuell keine Alternative zu den Systemen gibt, sollte die FEI über eine Änderung der Regelung mit den 11 Strafpunkten nachdenken: Eventuell in der Art und Weise, dass eine Auslösung nach dem Verlassen einer bestimmten Zone keine Minuspunkte verursacht.

Alle bisherigen 5*-Sieger kamen ohne Hindernisfehler aus dem Gelände zurück, es sei denn, sie trugen den Adler auf der Schabracke und heißen Michael Jung oder Sandra Auffarth; 5 gingen Doppel-Null, die größte Zeitüberschreitung in dieser Gruppe hatte Z (Phillip Dutton) mit 11 Sekunden. Vielleicht hat sich Oliver Townend diese Olympiade ins Jahr 2017 gewünscht: Mit dem alten Bewertungssystem inklusive des Multiplikators der Dressurbewertung hätte er die Bronzemedaille gewonnen. 

Apropos Dressurbewertung: Auch hier sollte die internationale Vereinigung eine offene Nachbetrachtung vornehmen. Bei einigen Ritten taten sich teilweise eklatante Unterschiede zwischen der gezeigten Leistung und den Bewertungen auf.

Und auch die Sache mit den 'more flags' und dem Tausch einiger Paare innerhalb des Wettbewerbs sollte überprüft werden. Welchen Sinn hätte es gemacht, wenn das thailändische Team mit allen drei im Gelände ausgeschiedenen Paaren im Springen noch angetreten wäre, eventuell sogar mit dem Ersatzreiter. Oder das schwedische Modell: Chicuelo / Sara Algotsson-Ostholt sollten als Ersatz für Balham Mist / Ludwig Svennerstal im Gelände eingesetzt werden. Ihre beiden Teamkolleginnen Therese Viklund und Louise Romeike schieden im Cross aus und Sara entschied sich, ihre Startmeldung zurückzuziehen, um dann am Montag im Springen zu starten.

Derek di Grazia hat einen tollen Job gemacht. Sein Kurs war zwar anscheinend etwas leichter als Rio 2016: Gut die Hälfte der Starter ist ohne Hindernisfehler über die Ziellinie geritten, sieben von ihnen auch innerhalb der Bestzeit. Vierundzwanzig Verweigerungen verteilen sich auf 18 Paare und 8 verschiedene Hindernisse. Überproportional waren das Libellenwasser (Nr. 11 - 5 x) und das Coffin (Nr. 18 - 7x) vertreten. Bei letzterem ist aufgefallen, dass viele Reiter der "starken" Nationen sich für die längere Alternative entschieden haben und einige Reiter trotz offensichtlich mangelnder Qualität sich im direkten Weg versucht haben. Der traurige Verlust von Jet Set (Robin Godel - SUI) hatte wohl keine Ursache, die mit dem Aufbau oder der Beschaffenheit des Hindernisses oder des Geläufs zu tun hat.

Gerade weil es um die Olympischen Spiele geht und unser Sport eh stark im Fokus missliebiger Menschen steht, sollte die FEI mit dem IOC mit der Blickrichtung Paris in ernste Gespräche eintreten.

Aber auch in Warendorf dürfte es Gesprächsbedarf geben. Durch den Olympiasieg von Amande de b'Neville und Julia Krajewski haben der Bundestrainer Hans Melzer und der Vielseitigkeits-ausschuss nachträglich einen Joker in die Hand bekommen. Das Nominierungsverfahren hinterlässt aber wohl deutliche Spuren. Es sind zwei grundsätzliche Fragen: Will ich die Nominierung auf Grund streng festgelegter Anforderungen und Sichtungswege vornehmen oder will ich mir eine Hintertür offen lassen? Beide Varianten bieten Vorteile - aber sie gehören klar formuliert. Und: Wie kann es passieren, dass die Namen der Tokio-Fahrer zunächst in den Medien veröffentlicht werden? Diese Art der Kommunikation führt zu Unverständnis und wahrscheinlich auch einer gehörigen Portion Frust. Das geht besser.

Ein Blick auf die Hauptakteure der Tokio-Tage: Insgesamt sind 17 deutsche Pferde gestartet, 9 davon haben es bis ins Einzelfinale (2 in die Top-10) geschafft, 2 weitere haben die Prüfung in der Wertung beendet. Besonders frohlocken dürften aber die französischen Züchter, da sechs der dort geborenen Pferde (5 x SF, 1 AA) auf den ersten sieben Plätzen zu finden sind, davon die ersten vier, die alle ausländischen ReiterInnen im Sattel hatten.

Die Top-25-Pferde hatten durchschnittlich knapp 55 % Blutanteil (lt. Horsetelex - bei allen Ankommern lag der Prozentsatz nur unwesentlich darunter), bei vieren war der Blutanteil > 75%. In den Pedigrees dieser 25 Pferde taucht drei Mal der Name Contender (als Vater von Vitali, über Contendro I als Großvater von fischerChipmunk FRH und als Urgroßvater von Colero (über Captain Fire von Contendro I) auf. Als Muttervater ist einzig Heraldik xx doppelt vertreten, insgesamt 6 Mütter haben xx-Väter. Insgesamt scheinen sich die Nachkommen der französischen und holsteinischen Springpferdevererber aus Müttern mit Blutanschluss durchzusetzen, auch wenn viele Pferde gerade in der zweiten Parcoursrunde einen relativ müden Eindruck hinterlassen haben. Grundsätzlich wird es aber dabei bleiben, das ein gutes Vielseitigkeitspferd 'gemacht' wird. Gutes Reiten und eine gute Ausbildung bleiben die Grundvoraussetzung für den späteren Erfolg.

Die teilnehmenden Pferde des Einzelfinales haben die Erfahrung von durchschnittlich 30 internationalen Prüfungen mit nach Tokio gebracht. Die Bandbreite reicht dabei von 12 (Vitali / Tim Price) bis 46 (fischerChipmunk FRH / Michael Jung). Absolut Gold (Nicolas Touzaint) und Totem de Brecey (Christopher Six) hatten in 2021 in Tokio den ersten internationalen Start in diesem Jahr, alle anderen eine bis vier internationale Vorbereitungsprüfungen. Sieben Pferde sind in Kentucky Ende April 5*-L gegangen, 6 von ihnen waren dort 'im Geld'. Ebenfalls sieben Pferde haben während ihrer Laufbahn die Farben der Zuchtverbände auf der Weltmeisterschaft der jungen Pferde in Le Lion vertreten.

Noch ein paar Dinge durch die schwarz-rot-goldene Brille betrachtet:

Der Sieg von Amande de b'Neville und Julia Krajewski ist ein höchst erfreuliches Ergebnis. Die Nominierung von fischerChipmunk FRH und Michael Jung stand lange fest, Viamant du Matz und Sandra Auffarth war es in den letzten beiden Jahren gelungen, die Qualität des Partners Pferd verlässlich abrufbar zu machen. Dass es auf dem Viereck so einen Rückschritt gab -und auch die Bremse im Cross- war für viele überraschend. Wahrscheinlich hätte uns die Wertung mit einem oder zwei Streichergebnissen in Tokio gut getan oder sogar das Edelmetall gerettet.

Dich hab' ich zum knutschen gern…

© FEI/Kai Försterling

Losgelöst von persönlichen Präferenzen einige Zahlen: Mit den Olympischen Spielen von Hong Kong und Tokio hat es in den letzten Jahren 13 Championate gegeben. Den deutschen Mannschafts-Vielseitigkeitsreitern standen dabei 53 Startplätze zur Verfügung, die sich auf lediglich elf verschiedene ReiterInnen verteilen. Die hohe Ausdauer der Adlerträger ist dabei Fluch und Segen gleichermaßen. Auf der einen Seite gibt es eine genügend große Anzahl an guten und sehr guten Reitern, die für diese Titelkämpfe zur Verfügung stehen, andererseits ist es für junge Menschen schwierig in diesen Kreis vorzudringen. Um es mit einem Rechenbeispiel zu verdeutlichen: Sollten diese drei Tokio-Starter zusammenbleiben und alle solange reiten wie Andrew Hoy, gibt es erst 2052 ein neues Olympiateam (gemessen am Durchschnittsalter).                      

Die tollen Team-Erfolge der jüngeren Geschichte lassen sich bei den Reitern besonders an zwei Namen festmachen: Ingrid Klimke hat in Tokio das erste Championat seit 2008 verpasst, Michael Jung war 11 Mal für die deutsche Equipe am Start.                           

Waren beide zusammen vertreten gab es die Platzierungen 1 - 1 - 1 - 1 - 1 - 1 - 2 - 2 - 5 - 8 (mit aufgeführt ist der zweite Platz in Strzegom 2017 vor der Disqualifikation von Samourai du Thot; der 5. Platz kommt von den WEG 2010 > Dirk Schrade ist im Gelände ausgeschieden und Andreas Dibowski hatte mit FRH Butts Leon zwei Verweigerungen an einem Hindernis; beim 8. Platz der EM 2009 in Fontainebleau ist lediglich Michael Jung ins Ziel gekommen).

Bei den anderen drei Championaten ging es am Ende 1 - 4 - 5 aus. Es sind der Sieg aus Hong Kong, der vierte Platz aus Tokio und der 5. Platz der WEG in Tryon, wo jeweils nur einer von beiden am Start war.

Während dieser Zeit hat es lediglich 12 DebütantINNen gegeben, die als Einzelreiter die deutschen Farben vertreten haben. Zwischen 2012 und 2018 gelang es nur Josefa Sommer, den Bundesadler auf die Schabracke zu bekommen. Auf den beiden Heim-EMs in Luhmühlen 2011 und 2019 waren insgesamt 9 ReiterInnen erstmalig dabei.

Zu den notwendigen Reformen in Warendorf gehört wohl auch ein System, um gute Pferde und gute Reiter zusammen zu bringen. Die hohe Anzahl der deutschen Vierbeiner in Tokio zeigt, dass da noch Ressourcen frei sind. Vielen Reitern verschafft es einen zusätzlichen Motivationsschub, wenn sich die Möglichkeit einer Championatsteilnahme auftut. Die FN ist da aufgerufen für regelmäßige Europameisterschaften zu sorgen und sich bei der FEI für eine Beibehaltung des doppelten Start-Kontingents für die veranstaltende Nation einzusetzen. Die Leistungen der jungen Menschen, zum Beispiel beim Preis der Besten, und die vielfachen Erfolge auf den Europameisterschaften zeigen die persönlichen Möglichkeiten, die die Nachwuchsreiter haben. Sie sollten jedwede Unterstützung bekommen - dann werden sie sicherlich versuchen, sich gegen die heutigen Größen zu behaupten.

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